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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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    „Vollständig
verrückt!“ fügte Boddas hinzu.
    „Ja, aber...“,
meinte Silli , „dann zeigt doch mal her.“
    Mala schüttelte den Kopf.
„Das hat gar keinen Zweck. Das Rote U ist verrückt. Basta.“
    „Sollt ihr etwa die
Schule in Brand stecken?“ fragte Silli .
    „Würd’ ich
dann etwa sagen, er wäre verrückt?“ zischte Mala giftig.
    „Noch was Dolleres also?“
    „Ja. Wenn man die Schule
anstecken will, dann braucht man nur Streichhölzer. Und wenn wir den Rhein
anhalten wollen, dann haben wir weiter nichts nötig, als auf den Sankt
Gotthard zu gehen und die Hand vor die Quelle zu halten. Dann haben sie hier
ihren Rhein gehabt. Aber können wir mit dem Mond Fußball spielen oder
die Sonne anhalten?“
    „So etwas Schweres sollen
wir tun?“ fragte Döll entsetzt.
    „Noch etwas viel
Schwereres. Die Sonne anhalten ist dagegen so leicht wie Dopp schlagen! Aber ihr könnt ja selber lesen...“
    Die fünf Kinder
saßen in einer langen Reihe auf der Kaimauer am Rhein und ließen
die Beine hinabbaumeln. Und nun zeigte ihnen Mala den
Zettel, den er heute in seinem Rechenbuch gefunden hatte. Das Papierchen ging herum...
    Lange Zeit sagte niemand etwas.
    Und schließlich nickte Silli vor sich hin: „ Mala hat völlig recht!“
    „Nicht wahr?“ sagte Boddas , „so ein Blödsinn. Ihr habt
dafür zu arbeiten, dass am 17. Dezember schulfrei ist.“
    „...Dass wir die Schule
nicht anstecken und die Lehrer nicht vergiften, das weiß er
natürlich selbst. Wir sind doch keine Verbrecher... Ja, wenn er
geschrieben hätte, wir fünf sollten am 17. Dezember allemal die
Schule schwänzen – das wäre noch was gewesen. Aber schulfrei!
Die ganze Schule frei! So was muss man sich anhören...!“
    „Ich pfeife
überhaupt bald auf das Rote U!“ brummte Döll, „jetzt hat
es beinah’ vierzehn Tage nichts von sich hören lassen, und nun auf
einmal so ein Blech!“
    „Und dabei sind jetzt den
ganzen Tag die Arbeiter in dem alten Garten, und wir gucken in den Mond... Die
Karnickel haben sie alle selbst gefressen...“
    „Dann leg du doch mal
einen Zettel in dein Buch, Mala “, riet jetzt Silli , „und schreib dem U klipp und klar, was er für’n Quatschkopp ist! Vielleicht findet er
deinen Brief und geht schön nach Grafenberg in die Irrenanstalt...“
    „Oder er kommt uns eklig
auf den Kopf!“ sagte Knöres düster.
    Ja, sie wussten nicht, was sie
machen sollten. Das Rote U war doch sonst so vernünftig gewesen... Und nun
diese Geschichte!
    „Kümmern wir uns
einfach nicht darum!“ hatte Silli noch zuletzt,
als sie auseinander gingen, geraten. Aber das war leichter gesagt als getan.
Immerhin blieb ihnen ja noch fast ein Monat Zeit, über die Sache
nachzudenken. Aber auf jeden Fall wollten Mala und Boddas einmal jeder ein Briefchen in sein Buch legen und
darin dem Roten U begreiflich machen, dass es ganz etwas Unvernünftiges
und Unmögliches von ihnen forderte. Er hatte ganz sicher gar keine Ahnung
davon, wie es in einer Schule zugeht. Das müssten sie ihm einmal ganz genau
schreiben. Ja, und dann würde es ihnen wohl eine andere Arbeit geben.
    Der einzige, der sich die Sache
ernster durch den Kopf gehen ließ, war Mala .
Ein schulfreier Tag, und das mitten im Jahr – war das nicht eine
wunderbare Sache, für die man sich wirklich einmal anstrengen konnte? Aber
wie sollte man das anfangen?
    In Gedanken versunken saß
der Junge mittags bei Tisch, und er merkte zuerst gar nicht, dass es Rotkraut
gab, was er doch nicht ausstehen konnte.
    „Sag mal, Junge“,
fragte sein Vater endlich, „du denkst wohl über einen Leitartikel
für die Zeitung nach?“ – Denn Malas Vater war der Redakteur vom Tageblatt. Und wer ihn so sprechen hörte,
meinte, es gäbe nichts, was er so sehr hasste wie eben die Zeitung. Und
nicht nur seine Zeitung! Er hasste sie alle. Wenigstens gab es keinen Tag, an
dem er nicht über die Zeitungsschmierer, wie er sie nannte, in den
kräftigsten Ausdrücken schimpfte und wetterte. Seine Hauptsorge war,
dass sein Sohn nicht auch das Zeitungsschreiben anfing. Nein, der sollte gleich
mit vierzehn Jahren auf das Landgut von Herrn Schlössers Bruder, der keine Kinder hatte, und ein tüchtiger Bauer werden.
    „Denn den Kohl, den der
Bauer zieht, kann man wenigstens essen“, sagte Doktor Schlösser
immer, „von dem Zeitungskohl aber wird nicht mal ein Toter satt!“
    Mala wusste das alles sehr gut, und
wenn einer ihn gefragt hätte, woher er eigentlich das Fluchen gelernt
hätte, dann

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