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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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wurden sie in ein Zimmer
geführt mit roten Plüschsesseln. Auch auf dem Tisch lag eine rote
Plüschdecke, und auf der roten Plüschdecke ein Album von Rom... Boddas wollte es gerade aufschlagen, denn gewiss waren
schöne Bauten drin zu sehen... Aber da ging die Türe auf, und der
Dechant trat ein.
    „Ihr wolltet zu mir,
Kinder?“ fragte er, „gewiss sollt ihr von eurem lieben Vater etwas
bestellen?“
    Und er gab beiden die Hand,
zuerst der Silli und dann dem Boddas .
Der alte Dechant war eben ein höflicher Mann.
    Boddas aber nahm recht auffällig
den Zollstock aus der hinteren Hosentasche und sagte: „Nein, Herr Dechant,
wir kommen ganz von selber. Aber es ist wirklich etwas Wichtiges...“
    Er griff nach seinem Notizbuch,
leckte an den Zeigefinger, wie er es oft von seinem Vater gesehen hatte, und
blätterte ein paar Seiten um, auf denen allerlei Männchen gezeichnet
waren.
    Der Dechant sah den Jungen
groß an. „Na, dann setzt euch mal, Kinder“, sagte er,
„ich komme gleich wieder.“
    Boddas sah seine Schwester an und
blinzelte mit den Augen: „Feine Sache wird das!“ flüsterte er.
    Doch schon kam der Dechant
zurück und setzte eine buntbemalte Blechdose mit knusprigem Gebäck
vor die Kinder.
    „Es schadet ja nichts,
wenn ihr derweil ein bisschen hier hingreift !“
sagte er freundlich.
    „Ja, ja“, nickte Boddas , „meine Schwester ist sehr für
süße Sachen!“
    Der Pfarrer lächelte:
„Dann soll ich wohl dir lieber eine Zigarre holen?“
    Der Junge wurde ein wenig rot.
„Dazu ist die Sache viel zu ernst“, sagte er.
    „Na, dann schieß
mal los, mein Junge!“
    Der Dechant lehnte sich in dem
rotplüschenen Kanapee zurück und verschränkte seine weißen,
dünnen Hände im Schoß.
    „Die Sache ist
die“, fing Boddas an, „was kriege ich,
wenn ich der Kirche, sagen wir mal, 10.000 Mark erspare? Denn 10.000 Mark ist
doch allerhand Geld...“
    Der alte Herr riss die Augen
auf. „10.000 Mark ersparen? Der Kirche? Da musst du schon deutlicher
werden...“
    „Herr Dechant, es soll
doch jetzt Heizung angelegt werden unter dem Kirchenschiff...“
    „Ja, und?“
    Boddas suchte nach Worten. Er hatte
sich das doch alles so fein zurechtgelegt, und jetzt wusste er rein gar nichts
mehr...
    Aber Silli konnte es schon lange nicht mehr aushalten. „Herr Dechant“,
prustete sie heraus, „Sie brauchen unter dem Schiff gar nicht erst
ausschachten zu lassen. Denn gleich droben unter dem Chor ist ein altes
Begräbnisgewölbe...“
    Dem Pfarrer blieb für
einen Augenblick die Sprache weg. Und dann fragte er noch dies und das,
schließlich musste der Küster kommen, Treppenleitern wurden
herbeigeschafft, und bald stand der Dechant vor dem Loch, das Boddas gehackt hatte, und schaute im Strahl einer starken
elektrischen Lampe in das Gewölbe der Toten.
    Als er sich zurückwandte,
sagte er zu dem Küster:
    „Bitte, telefonieren Sie
gleich einmal dem Herrn Baumeister Boden, er möchte doch sofort
herkommen...“
    „Was, Herr
Dechant?“ knurrte der Küster, „zuerst kriegt doch der
Lausebengel mal eine gepfefferte Tracht Prügel! Was hat die Rasselbande
sich hier herumzutreiben? Also komm mal mit, mein Söhnchen, in die
Sakristei!“
    „Herr Dechant!“
schrie Boddas .
    „Keine Angst, mein
Junge“, lächelte der alte Mann.
    „Angst, Herr Dechant? Ich
habe keine Angst! Aber von dem Küster ist es schon eine Gemeinheit! Bei
mir wäre der zum letzten Mal Küster gewesen!“
    Brummend war der Küster
gegangen.
    Und nun sagte der Pfarrer:
„Sogar eine Belohnung sollt ihr haben, Kinder! Sagt mal, was wünscht
ihr euch?“
    „Deswegen sind wir ja
eben zu Ihnen gekommen, Herr Dechant!“ lachte Silli ,
„sonst hätten wir bestimmt nichts von dem Keller gesagt. Darin kann
man doch so fein spielen...“
    „Kind, du bist wenigstens
ehrlich!“ lächelte der alte Herr, „und was wollt ihr also
haben?“
    „Dass Sie den Vater von
den armen Gebendeilkindern an dem Heizungsbau
beschäftigen und dass Sie ihn nachher als Heizer hier anstellen. Er ist
doch Schlosser...“
    Es dauerte eine Weile, bis der
Dechant antwortete. In dem Düster konnten die Kinder sein Gesicht nicht
sehen. Und sie dachten, er besänne sich nur, ob er ja sagen sollte oder
nein. Aber als er nun antwortete, klang seine Stimme so weich, und er sagte:
    „Kinder, ihr könnt
dem Mann gleich Bescheid sagen. Nächsten Montag fangen wir an.“

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