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Das rote U

Das rote U

Titel: Das rote U Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Matthießen
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Mala auf, und seine Augen
waren ganz verstört. Mit zitternden Fingern knüllte er den Zettel in
seinem Buche zusammen und reichte ihn unter der Bank her verstohlen an Boddas . Der strich ihn schnell auf der Buchseite glatt
– im Augenblick würde der Lehrer ihn ja doch nicht mehr aufrufen. Er
brauchte also keine Angst zu haben...
    Es war ein Zettel, nicht
größer als eine halbe Postkarte, und Boddas fuhr mit dem Zeigefinger die engen Schreibmaschinenzeilen entlang. Und Boddas las diese Worte:
     
    „ Mala , Boddas , Döll, Knöres und Silli , ihr seid
erkannt! Dem großen Roten U ist es zu Ohren gekommen, dass Ihr eine Bande
seid und allerhand Streiche macht. Eigentlich sollte das Rote U Euch bei der
Polizei anzeigen. Aber das Rote U hat etwas anderes über Euch beschlossen.
Das Rote U wird jetzt Euer Hauptmann sein und nicht mehr Boddas oder Mala . Nie werdet Ihr das Rote U zu sehen
kriegen. Ihr werdet die Befehle des Roten U stets irgendwo in Euren
Büchern, in Euren Schultaschen, in Euren Butterbrotpapieren finden. Und
wehe Euch, wenn Ihr nicht gehorcht! Dann wird der Lehrer einen Brief von dem
Roten U bekommen, in dem all Eure bösen Taten
stehen, dass Ihr im alten Klostergarten mit Eurem Luftgewehr die Karnickel
schießt, dass Ihr dem Schuldiener die Mäuse aus den Mausefallen
laufen lasst, und einmal habt Ihr dem Lehrer sogar eine Maus in das Pult getan.
Aber der Lehrer hat es nicht gemerkt. Und daran, dass ich, das Rote U, es
weiß, daran könnt Ihr sehen, dass das Rote U alles weiß!
Hütet Euch vor ihm! Heute Abend, genau um sechs Uhr, habt Ihr in der Villa Jück zu sein, und da werdet Ihr weitere Befehle
von mir finden. Wie Ihr da hineinkommt, das ist Eure Sache!
    Das Rote U.“
     
    So las Boddas ,
und seine Augen hatte er dabei aufgerissen, als schaue er in ein brennendes
Haus. Dann las er den Zettel noch einmal und noch einmal, und immer mehr sah er
ein, dass da ganz und gar nichts zu machen war. Das Rote U hatte sie in der
Gewalt.
    Der Brief flimmerte Boddas bald vor den Augen, zumal da das U immer sogar in
roter Farbe getippt war. Rot wie Blut! Und die U’s tanzten bald wie rote Flämmchen auf dem Papier herum. Da faltete er schnell
den Zettel zusammen und steckte ihn in die Tasche. Und sah Mala an. Und Mala ihn. Und einer nach dem andern zuckte
die Schultern.
    Die Stunde ging weiter. Den
beiden Jungen war es, als spreche der Lehrer durch einen Nebel, in dem lauter
rote U’s herumwirbelten. Noch ein paar Mal
wurden sie aufgerufen, aber sie gaben wieder verwirrte und verstotterte Antworten... Gott sei Dank nur, dass heute die Schule schon um elf Uhr aus war!
Dann konnten sie endlich mit Döll, Knöres und Silli sprechen. Oh, was würden die für
Augen machen! - Aber vielleicht würde Silli einen Rat wissen. Silli war das einzige Mädchen
in der Bande und hatte ein helles Köpfchen. Sonst wäre sie auch gar
nicht aufgenommen worden, trotzdem sie Boddas ’
Schwester war. Und es hatte Boddas auch allerlei
Mühe gekostet, seine Freunde von Sillis Wert zu
überzeugen. Freilich, nachher hätten sie das schlau blonde Mädel
nicht mehr missen mögen. Keiner konnte so lecker Karnickel braten wie sie,
konnte so wunderbar die zerrissenen Jacken und Hosen flicken; und wenn es
irgendwo keinen Ausweg mehr gab – Silli wusste
gewiss den aller-, allerletzten noch zu finden.
    Dabei beruhigten sich nun die
Jungen ein wenig, und als es endlich schellte, da waren sie die ersten, die aus
dem Klassenzimmer herausrannten, und fast hätten sie den blassen, etwas
buckligen Ühl dabei umgerannt. Denn der Ühl , der Klügste in der ganzen Klasse, saß
gerade neben der Türe in der hintersten Ecke. Der Lehrer konnte den armen
Jungen ruhig dahin setzen, denn er brauchte ihn wirklich nicht immer unter den
Augen zu haben. Der Ühl war brav und
fleißig, wusste alles am besten, und darum konnten ihn die anderen Kinder
auch nicht besonders gut leiden. Auf dem Schulhof stand er immer allein herum,
besah sich mit seinen großen blauen Augen das fröhliche Spiel der
Kameraden, und selber durfte er nicht mittun. Aber der Junge beklagte sich
nicht. Er war es so gewohnt. Und als ihn jetzt der Boddas beinahe über den Haufen stieß, lachte er nur und rief: „Da
hätte ich dich beinahe umgerannt, Boddas !“
    Aber Boddas schaute ihn nur mitleidig und verächtlich von der Seite an, stampfte mit
seinen schwergenagelten Stiefeln neben Mala über
den Gang, dann schwangen sich beide auf das Treppengeländer und sausten
wie der Blitz in die

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