Das rote U
doch nicht zurückklettern, wo
all die Lehrer noch auf dem Hof waren. Nun lies mal vor, Boddas !“
Und Boddas las, leise und doch so aufgeregt, dass Mala immer
zischelte: „Schrei doch nicht so...“
Aber schon war Boddas fertig, und er knipste die Lampe aus. So konnte denn
keiner die entsetzten Augen der anderen sehen. Aber sie spürten alle, wie
ihre Herzen klopften.
„Was sagt ihr
jetzt?“ flüsterte Mala nach einer Weile.
„Und die U’s sind sämtlich rot geschrieben!“
fügte Boddas mit düsterer Stimme hinzu.
„Lass mich doch auch mal
sehen!“ hauchte Silli .
Wieder flirrte das
Lämpchen, der Zettel knisterte, und über Sillis Schultern schauten Döll und Knöres in das
schreckliche Blatt.
Jetzt ließ das
Mädchen den Zettel sinken. „Licht aus!“ sagte sie, „wenn
einer den Schein sieht, dann ist es aus mit uns!“
„Das ist es auch
so!“ brummte Döll traurig.
„Was fangen wir nur
an?“ fragte Mala .
„Wenn wir nur
wüssten, wer das geschrieben hat...“, flüsterte Knöres , „dann...“
„Was dann?“ unkte Mala .
„Dann haue ich ihm die
Hucke voll“, knurrte Döll, und die anderen hörten seine
Zähne im Dunkel knirschen.
„Mach dich doch nicht
lächerlich“, brummte Boddas , „gegen
das Rote U kannst du gar nicht ankommen...“
„Allah verdamme es in die
unterste Hölle!“ fluchte Mala .
„Damit kommen wir nicht
weiter“, flüsterte Silli , „sicher hat
sich irgendein Verbrecher in der Pause eingeschlichen und dir den Zettel ins
Buch getan, und jetzt erpresst er uns für die Bande vom Rote U... Der
weiß, dass wir gut schleichen können, natürlich, und dann
müssen wir des Nachts mit den Einbrechern los -, wisst ihr was? Ihr gebt
den Zettel an der Polizei ab...“
„Bist du verrückt, Silli ?“ rief Knöres ,
„Dann kommt ja alles raus von uns! Dass wir die Karnickel schießen!
Dass wir dem Polizisten einen Zettel hinten an den Rock gesteckt haben -, du,
das gibt sicher Zuchthaus!“
Silli schüttelte den Kopf:
„Und wenn wir mit dem Rote U anfangen, dann kommen wir noch viel
länger ins Zuchthaus, da könnt ihr Gift drauf nehmen! Aber vielleicht
sind die Polizisten froh, wenn wir ihnen die Bande vom Roten U verraten –
dann kriegen wir nur eine Tracht Hiebe, und davon ist noch keiner
gestorben...“
„Nein, Silli “, sagte Boddas ,
„das nicht, aber eine Ehre ist es gerade auch nicht! Und woher willst du
überhaupt wissen, was das Rote U will? Vielleicht ist es ein
hochanständiger Räuber, und das wäre doch was für
uns!“
„Ich will euch was
sagen“, flüsterte Knöres , und im
Schein eines winzigen Sonnenstrahls, der durch eine Lücke zwischen den
Dachpfannen flirrte, sahen sie seine schwarzen Mausaugen funkeln, „die Silli hat Recht, und der Boddas hat auch Recht. Aber es wär’ eine Schande für uns, wenn wir uns
von dem Rote U bange machen ließen! Nein, wir gehen einfach hin, und dann
sehen wir schon, was er will! Und ich glaube ja auch, dass wir für ihn
einbrechen sollen. Das ist nun mal pottsicher . Und
das tun wir dann einfach auch, aber vorher schreiben wir ein Briefchen an die
Polizei. Hier diesen Wisch hinzuschicken, hat ja gar keinen Zweck. Die lachen
uns nur aus. Aber wenn wir sagen können: Herr Polizei, das Rote U will
diese Nacht da und da einbrechen – am besten geht Silli mit dem Brief aufs Präsidium – ja, dann wird der Oberpolizist sagen:
Fräulein Sybilla Boden, wir bedanken uns auch recht schön für
Ihre werte Nachricht, und Ihr Herr Bruder Wilhelm und die anderen Herren
könne gleich bei uns eintreten als Detektive... Ja, so wird es kommen! Was
meint ihr dazu?“
„Der Kuckuck soll dich
holen, Knöres “, rief Mala ,
„das ist mal eine Idee! Was, Boddas ?“
Und er sprang auf und schlug
den Freund mit der Faust auf die Schulter. Im gleichen Augenblick gab es einen
Krach, als wenn der Speicher einstürze – Mala hatte beim Aufspringen die Kistenwand aus dem Gleichgewicht gebracht, und mit
Donnergepolter stürzten die Nudel- und Makkaronikisten in einen wüsten Haufen zusammen. Darunter zappelten Arme und Beine, und
darüber stand eine Wolke von Staubqualm.
Als aber der Lagerknecht
hinaufkam, das elektrische Licht andrehte und umherschaute, was da geschehen
wäre, da war alles schon wieder totenstill, nur in den wenigen
Sonnenstrahlen über dem Kistenhaufen wirbelte noch der Staub, und die
große weißgelbe Katze schlich über die Dachbalken...
Die Villa Jück
Der Herbsttag war sonnig und
schön
Weitere Kostenlose Bücher