Das rote U
fuhr
es dem Knöres wie ein Blitz durch den Kopf. Ja,
der musste es gewesen sein! Um sechs Uhr sollten sie drinnen den Zettel finden
– jetzt war es eben viertel vor durch, gerade hatte die helle Kirchenuhr
geschlagen. Und der Junge sah jetzt auch schon durch den Regen die Pfeiler des Kirchentores .
„Da sind wir an der
Hafenstraße“, sagte er, und die erleuchteten Fenster der uralten
Wirtschaft ‚Zum Schiffchen’ blinkten trüb durch den nassen
Abend, „jetzt kann ich alleine gehen... Und ich danke Ihnen auch
schön, Herr Polizist!“
„Gern geschehen,
Junge“, lachte der Mann und ging mit raschen Schritten, ohne sich umzusehen,
dem Karlsplatz zu.
Noch ein Weilchen blieb Knöres stehen; er wollte ganz sicher sein, dass der
Polizist auch nicht umkehrte. Aber alles blieb still. Nur kamen jetzt um die
Kirche herum zwei Männer in Regenmänteln und mit Schirmen, aber die
gingen geradewegs auf das Wirtshaus zu und verschwanden dann in der niedrigen
Tür.
Jetzt war die Stunde für Knöres gekommen. Es fiel ihm nun gar nicht mehr ein,
an den Rhein zurückzulaufen und dort seine Kameraden zu holen. Fünf
fallen mehr auf als einer, dachte er sich, während er weiterging, dann
schaute er noch einmal nach rechts, nach links, spähte hinter sich, dann
vor sich gegen den Wind, wo die geheimnisvolle Gestalt verschwunden war... aber
er sah nichts, hörte nichts als den Regen rauschen. – Im
nächsten Augenblick war er in dem Hof der alten Schreinerei verschwunden,
und leise zog er das schwere, wacklige Bohlentor hinter sich zu. Keiner konnte
ihn gesehen haben, und in der nächsten Minute würde auch keiner
draußen des Weges kommen. Diese Zeit musste er also benutzen! Und er
wusste auch schon, wozu. Denn das Rote U konnte doch nicht geflogen sein, es
musste Spuren gemacht haben wie jeder andere Mensch – und keine kleinen!
Denn in dem alten Hof lag beinahe fußtiefer Schlamm – er wusste das
genau, in der Zehnuhrpause war er ja mit Boddas und Mala und Döll oft hier gewesen, und sie hatten in der
alten Werkstatt die Ratten gejagt... Also Licht! Er knipste seine Taschenlampe
an und leuchtete auf den Boden.
Richtig – da hatte
er’s schon! Hier hatte das Rote U gestanden, als er eben mit dem
Polizisten vorüberging. Tief waren die Schuhe in den Schlamm
eingedrückt. Diesen Spuren ging er nach. Denn es war wirklich leicht, sie
zu finden. Im Dunklen hätte er sie tasten können, meinte er... Natürlich
– sie führten an der Werkstatt vorbei und dann rechts herum, auf den
Bretterschuppen zu. Und dieser Bretterschuppen lag gerade an der Rückwand
der Villa Jück ! Da wusste Knöres ,
woran er war. Und er wunderte sich gar nicht, als die Spuren unter dem Schuppen
plötzlich aufhörten, nicht einmal die nassen Stapfen waren in dem
trockenen Staub zu sehen. Das Rote U ist also auf die Bretter gestiegen!
– dachte der Junge, und mit raschem Schwung war auch er droben.
Lampe an! Siehst du wohl!
– grinste er, die schmierigen Stapfen waren ganz deutlich droben auf den
Brettern zu sehen. Und Knöres folgte ihnen
über dem zarten Lichtschein der elektrischen Birne mit seinen schlauen
Mausaugen, ganz bis in die letzte Ecke des Schuppens. Da hörten sie
plötzlich wieder auf. War das Rote U etwa noch höher geklettert? Knöres leuchtete hinauf. Aber nein, schon dicht
über seinem Kopfe war das Dach, und wenn er sich ganz aufrichtete,
stieß er an staubige Spinnweben, und im Strahl seiner Laterne sah er da
und dort fette Spinnen in ihre Balkenwinkel flüchten.
Also tiefer! – dachte er.
Die letzte Spur war ja auch so merkwürdig deutlich – an der ganzen
Stelle war das Brett nass und schlammig. Hier musste also das Rote U eine ganze
Weile gestanden haben. Was mochte er dort gesucht haben? Nun, die Bretter vor
sich hatte er aufgehoben und zurückgelehnt! Das war doch klar. Und schon
klappte der Junge das erste nach hinten, das zweite – aber er sah noch
nichts. Da fühlte er hinter den Brettern her. „Holla!“ rief er
leise... Er hatte den obersten Rand eines Fensters oder eines gemauerten Loches
gespürt. Aber mit einem kleinen Ekelschrei zog er die Hand zurück...
eine Ratte war ihm darübergehuscht mit ihren
kalten Füßchen. Doch da konnte nichts helfen – hinein musste
er, Ratten oder nicht. Schnell klappte er noch ein paar Bretter beiseite, und
nun war die Öffnung groß genug. Er sah auch: auf diesem Brett, das
nun zuunterst lag, musste der Unbekannte wieder gestanden haben. An den
Abdrücken sah Knöres ,
Weitere Kostenlose Bücher