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Das rote Zimmer

Titel: Das rote Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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eine Frau ins Leben zurückgekehrt war, deren Gesicht von einer Narbe zweigeteilt wurde: Albie in einem ungenutzten Schlafzimmer in einem fremden Haus, mit einer anderen Frau, die Hände auf ihrem erdbeerroten Kleid. Er streifte ihr die Träger von den Schultern, berührte ihre cremeweißen Brüste. Sie hatte die Augen geschlossen und den Kopf zurückgelegt. Ihr kräftig roter Lippenstift war verschmiert. Betrunken nuschelte er:
    »Nein, nein, wir dürfen das nicht!«, ließ sie aber trotzdem gewähren, blieb völlig locker und passiv, während ihre Finger sich an seinem Reißverschluss zu schaffen machten. Ich hatte auf dem Treppenabsatz gestanden und zu ihnen hineingespäht, unfähig, mich zu bewegen oder einen Laut von mir zu geben. Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Dingen, die man beim Sex tun kann, dachte ich damals, während ich auf diese Szene starrte. All die Gesten, von denen wir glauben, es seien unsere ganz persönlichen, gehören genauso anderen Leuten. Die Art, wie sie mit dem Daumen über seine Unterlippe strich. Ich mache das auch so. In dem Moment entdeckte mich Albie, und ich dachte: Es gibt nur eine begrenzte Anzahl von Arten, wie man seinen Geliebten mit einer anderen erwischen kann. Es erschien mir so abgedroschen. Sein schönes Hemd hing an ihm herunter.
    Wir hatten einander angestarrt, die sich rekelnde Frau zwischen uns. Ich konnte meinen Herzschlag hören. Was ist das Leben ohne Liebe?
    »Nein«, antwortete ich. »Zurzeit nicht.«
    Poppy klopfte mit dem Messer gegen ihr Glas. Oben im ersten Stock hörte ich ein Kind kreischen. Über unseren Köpfen schlug etwas dumpf auf den Boden. Seb runzelte die Stirn.
    »Ich möchte einen Toast aussprechen.« Poppy räusperte sich.
    »Warte noch einen Moment, lass mich erst die Gläser nachfüllen.«
    »Vor drei Monaten passierte Kit diese schreckliche …
    Sache …«
    Mein Tischnachbar wandte sich zu mir um und starrte auf mein Gesicht. Ich hob die Hand, um die Narbe zu bedecken, als könnte sein Blick sie zum Brennen bringen.
    »Sie ist von einem Wahnsinnigen angegriffen worden.«
    »Also …«, begann ich zu protestieren.
    »Alle, die wie ich an ihrem Krankenbett gestanden …
    die gesehen haben, was er ihr angetan hatte … wir waren völlig entsetzt.« Der Alkohol und die Rührung ließen Poppys Stimme schwanken. Verlegen starrte ich auf meinen Teller. »Aber niemand sollte sie nach dem äußeren Schein beurteilen.« Sie lief rot an und sah erschrocken zu mir herüber. »Ich meine nicht die … du weißt schon.«
    Wieder hob ich die Hand ans Gesicht. Ich ertappte mich jetzt ständig bei dieser Geste des Selbstschutzes, zu der ich damals nicht fähig gewesen war. »Sie mag ja einen sehr sanften Eindruck machen, aber in Wirklichkeit ist sie eine starke, mutige Frau. Sie war schon immer eine Kämpferin, und deswegen sitzt sie jetzt auch hier bei uns und fängt am Montag wieder zu arbeiten an. Dieser Abend ist für sie, und ich möchte, dass ihr alle eure Gläser hebt, um ihre Genesung zu feiern und … na ja, das war’s eigentlich schon. Ich war noch nie besonders gut im Redenhalten.
    Jedenfalls trinken wir jetzt auf unsere liebe Kit!«
    »Auf Kit!«, riefen alle im Chor. Ihre Gläser stießen über den Resten des Essens klirrend aneinander. Alle Gesichter um mich herum leuchteten, lächelten mich an, verschwammen für ein paar Momente im Kerzenlicht, um dann von neuem Gestalt anzunehmen. »Kit!«
    Ich brachte ein Lächeln zustande. Eigentlich wollte ich das alles gar nicht und fühlte mich deswegen schlecht.
    »Komm schon, Kit, du musst auch eine Rede halten!«
    Seb grinste mich an. Wahrscheinlich kennen Sie sein Gesicht oder seine Stimme. Sie haben bestimmt schon seine Meinung über alles Mögliche gehört, angefangen von Serienkillern bis hin zu kindlichen Albträumen oder kollektivem Massenwahn. Er macht mir oft Komplimente, lächelt mich an und tut sein Bestes, um mich aufzubauen, aber ich nehme an, im Grunde hält er mich für eine hoffnungslose Anfängerin in seinem Beruf. »Du kannst nicht nur schüchtern dasitzen und lieb schauen, Kit. Sag was!«
    »Also gut.« Ich musste an Michael Doll denken, wie er sich mit erhobener Hand auf mich stürzte. »Eigentlich bin ich gar keine Kämpferin. Im Gegenteil, ich –« Von oben drang ein Schrei, gefolgt von lautem Geheul.
    »Herrje!«, seufzte Poppy und stand auf. »Andere Kinder liegen um halb elf im Bett und schlafen. Unsere tragen noch Ringkämpfe aus. Bin gleich wieder da.«
    »Nein, lass mich

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