Das Runenschwert (Die Saga von den drei Königreichen) (German Edition)
obwohl Rabec und auch ihre Tante Eleanor ihr versucht hatten klarzumachen, dass dies für eine angehende Herrscherin nicht schicklich sei. So verkündete Tante Eleanor, dass das Mahl beginne und selbst die Kaufleute lächelten nur bei dem Gedanken, dass ihre zukünftige Königin nicht teilnahm, obwohl ihre Abwesenheit in einigen Jahren ein Affront gegenüber den geladenen Gästen gewesen wäre. Nur Ma’an wunderte sich, denn sie kannte die Stimmungen und die Gelegenheiten, die Cathylls Fernbleiben vorausgingen. Sie hatte diese aber von der Jagd heimkehren sehen und sie wusste, dass Cathyll Hunger wie ein Bär gehabt hatte.
Cathyll indes lief durch die Stadt Mal Kallin. Es kam nicht oft vor, dass sie die Festung, die über der Stadt thronte, verließ und durch das Tor hinab schritt, die breite Hauptstraße hinab, die sich an den Steinhäusern der wohlhabenderen bis zu den Holzhütten der ärmeren Bewohner bis zum Hafen schlängelte. Von dieser Straße ab gab es noch einige Querstraßen und Gassen, die sich verwinkelt der hügeligen Landschaft anpassten, in denen Werkstätten, Schmieden, Händler und Gasthäuser ihre Dienste und Waren anboten. Aber Cathyll nahm die Gerüche, die sich aus den verschiedensten Quellen der Stadt zusammensetzten und sich zu einem Konglomerat aus Meeressalz, Tuchmacherfarbe, Pferdekot und den Kloaken der Stadt vermengten, nicht wahr. Sie wusste nur, dass sie aus dem Palast musste, weg von den Menschen, die ihr so vertraut gewesen waren – doch das schien Jahre her. Sie lief plan- und ziellos durch die Straßen. Sie hatte keine Freunde hier, zumindest hätte sie nicht gewusst wo die Quartiere der einfachen Bediensteten waren, die zuweilen bei Hofe arbeiteten und hier in der Stadt wohnten. Als sie eine Weile gelaufen war, merkte sie, dass sie an den Landungsstegen angelangt war. Hier roch die Luft frisch und salzig und einige Schiffe verteilten sich über den Hafen. Sollte sie einfach auf ein Schiff laufen, um sich dem Zugriff ihrer Tante und ihres Ræthgir zu entziehen? Als sie am Steg entlanglief, ihre Röcke ordnend und die Schiffe hinaufsah, auf denen jeweils ein bis zwei Krieger standen, um unliebsamen Besuchern den Zugang zu verweigern, da wusste sie, dass sie nicht den Mut haben würde, sich in die Hände eines ihr unbekannten Kapitäns zu begeben, der sie im Zweifelsfall sowieso dem Königshof übergeben würde, um es sich nicht mit dem einflussreichen Haus Marc zu verderben.
So drehte sie um. Vielleicht sollte sie doch lieber zurück zur Burg kehren und versuchen die ganze Sache zu überdenken. Sie konnte sich auch verhört haben. Die Stimmen vom anderen Ende des Ganges – vielleicht waren das Geister gewesen, Kobolde sogar, die versuchten sie zu verwirren. Ma’an hatte ihr von Wesen erzählt, die in alten Gemäuern hausten und die Menschen beneideten, die aus Fleisch und Blut waren. Aus Langeweile und aus Neid versuchten diese Wesen die Menschen, die sie umgaben, ins Unglück zu stürzen. Natürlich – so musste es sein. Cathyll fiel ein Stein vom Herzen und gleichzeitig schämte sich sie für ihre Dummheit. Sie würde sich mit Rabec aussprechen und sie würde die Gänge der Burg von einem Priester der Kirche der Sonne von Geisterwesen befreien lassen. Das war es. Sie lachte kurz auf und wischte sich über das Gesicht. Als sie aufblickte, um zurück zur Burg zu gehen, sah sie, dass vier Gestalten von der Stadt auf sie zukamen, die sie offenbar schon erblickt hatten. Sie schienen zu feixen und sich gegenseitig die Ellenbogen in die Seiten zu hauen. „Schönes Fräulein, wohin des Wegs?“, brüllte einer zu den Weg hinab. Reflexartig schaute sie zu Boden, doch sie wusste, dass sie, wenn sie zurück in die Stadt gehen würde, nicht an den Männern vorbeikommen würde. „Was denn, Mylady, so schüchtern?“ Cathylls Zurückhaltung hatte die Männer anscheinend zunehmend motiviert.
Sie blickte sich um. Noch konnte sie seitwärts abbiegen, die Kü stenstraße entlang, an der sich Handels-, Lager- und Wirtshäuser gleichermaßen abwechselten. Sie musste sich schnell entscheiden, wenn sie die offensichtlich betrunkene Schar der Männer vermeiden wollte, also ging sie rechts den Küstenweg entlang. Sie hörte die Männer noch etwas rufen und lachen und sie wollte lieber nicht wissen, was das bedeuten sollte. Natürlich würde sich ihr niemand nähern, wenn er ihre wahre Identität kennte, die Frage war nur, ob man einem jungen, verwirrten Mädchen an diesem Ort glauben würde,
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