Das sag ich dir
Urlaubsreisen verkaufen? Karen schien zu begreifen, dass die Öffentlichkeit hinsichtlich des Fernsehens in Zukunft eine regelrechte Unersättlichkeit entwickeln würde. Bis dahin hatte es vier Programme geben, doch schon bald wären es Hunderte.
Sie hatte kein Mitleid mit den zahlreichen Arbeitslosen. Sie beherzigte den guten Rat ihrer Familie und steckte ihr Gehalt in eine Wohnung in der Nähe des Canary Wharf. Parallel dazu behielt sie ein Zimmer in einer Wohnung in Chelsea, wo ich manchmal übernachtete. Alle möglichen Mädchen, mit denen Karen in der Schule und an der Universität gewesen war, kamen vorbei, oft mehrere auf einmal, aber immer nur solche, deren Name auf >a< endete: Lavinia, Davina, Delia, Nigella, Bella, Sabrina, Hannah. Sie lümmelten sich auf den Teppich und redeten davon, was sie nun, da die Welt Frauen wie ihnen offen stand, tun würden. Würden sie erst Kohle machen oder Künstlerinnen werden, bevor sie die Mutterrolle übernahmen?
Karen nahm mich oft mit ins rasante Londoner Nachtleben, das sie durch ihre Freunde von der Uni kennengelernt hatte. Wir besuchten die neuen Clubs, vor allem das Groucho, wo die Dekadenz Raum um Raum und Stockwerk um Stockwerk füllte. Es war der angesagteste Club, und er wimmelte von Schriftstellern, hippen Verlegern, Pop-Promo-Direktoren, Produzenten der Late Show und den jungen Filmemachern von Channel Four, wo man vor kurzem mit der Produktion von Low-Budget-Filmen begonnen hatte. Später wurden wir manchmal von jemandem zu Derek Jarman mitgenommen, der in einem alten Haus in der Charing Cross Road wohnte. Er las gern aus seinen handschriftlichen Tagebüchern vor, und ich wäre gern wie er gewesen so sehr mit sich selbst beschäftigt, während die Leute kamen und gingen.
Außerdem gab es natürlich das »neue« Einkaufen. Hatte meine Mutter früher eine Liste geschrieben und war mit den entsprechenden Artikeln und einem kleinen Extra für uns, zum Beispiel Schokolade oder Keksen, zurückgekehrt, so verbrachte Karen ganze Nachmittage in den Läden, weil sie sich gern in Einkaufs-Biotopen herumtrieb, und kam dann mit zahllosen kunstvoll verpackten Sachen nach Hause, die sie im Grunde nicht brauchte. Anstelle von Dingen kaufte man jetzt Namen oder Marken.
Abends gab es dann andere Partys und neue Restaurants mit höchst attraktiven Namen, in denen Karen Alkohol in sich hineinkippte, bis sie nur noch taumeln konnte. Sie hatte mich gern dabei, damit ich ihr zur Tür hinaus und ins Taxi und im Anschluss ins Bett half, neben dem ich dann mit der Schüssel auf ihren unvermeidlichen Kotzanfall und das Koma danach wartete. »Tender is the night«, stöhnte sie immer und zitierte damit weder Keats noch F. Scott Fitzgerald, sondern den Popsong. Doch selbst, wenn sie bis zwei Uhr früh gesoffen hatte, stand sie am nächsten Morgen pünktlich auf, saß um acht Uhr am Schreibtisch und blieb dort fünfzehn Stunden lang. Die Frauen mussten sich »beweisen«.
Sie hatte keinen Freund, obwohl ich glaube, dass sie ziemlich viel schlechten Sex mit älteren Männern - den Bossen -, mit Kameraleuten oder anderen Typen aus dem Produktionsteam hatte, denn sie war viel unterwegs und verbrachte drei Nächte pro Woche außerhalb von London. Ich sehe sie vor mir, wie sie gleichgültig die Beine breit machte und aus dem Fenster oder in das Zimmer schaute, an den Fingernägeln kaute und sich fragte, was sie am nächsten Tag anziehen sollte. Wenn sie fort war, war sie immer besorgt, weil ich sie vielleicht vermisste oder mich einsam fühlte, und wenn ich den Abend mit einer anderen Frau verbracht hatte, fragte sie mich, ob ich Sex mit ihr gehabt hätte. Wenn wir beide auf einer Party waren, wies sie mich darauf hin, wer attraktiv und leicht anzubaggern war, ja, sie sprach die betreffenden Frauen sogar für mich an.
Karen und ich waren zwar irgendwie ein Paar, führten aber schon bald eine mehr oder weniger keusche Beziehung. Wie die meisten Menschen mochte sie Sex nicht wirklich, nahm ihn aber auf sich, wenn sie glaubte, dass der andere unbedingt wollte. Inzwischen befremdet es mich, aber damals bildete ich mir ein - ohne viel darüber nachgedacht zu haben, wie ich gestehen muss -, immer noch dem Ideal des nur auf sich bezogenen Paares anzuhängen, eine Schablone, in die jeder passte, wie ich glaubte. Wenn ich Karen untreu war, fand ich es daher gut und richtig, dass mich das entsprechende Maß an Schuldgefühlen plagte.
Gut möglich, dass unsere Beziehung so leidenschaftslos war, weil
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