Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
Vom Netzwerk:
mochte - persönlich begegnete.
    Ich folgte Rafi nach unten und flüsterte: »Man muss sich als Erwachsener gar vielen Prüfungen unterziehen, mein Sohn.«
    »Ist doch alles nur deine Schuld, Dad.«
    Eliot saß am Tisch, den Josephine und ich in der Shepherd's Bush Road gekauft hatten, bevor in jedem Laden ein Immobilienmakler eingezogen war. Er trank aus meiner Ryan-Giggs-Tasse und korrigierte die Schulaufgaben meines Sohnes mit einem Stift.
    Natürlich hatte ich einen charismatischen Gott erwartet, doch Eliot hatte halblanges, ergrauendes Haar, trug ein Hemd mit offenem Kragen und eine alte, abgewetzte Jacke - die Kluft der Akademiker -, und außerdem hatte er einen Knick in der Linse und glotzte in mindestens zwei Richtungen auf einmal, was Rafi bestimmt amüsierte und sich auf Partys als nützlich erweisen dürfte.
    Er glich einer struppigen, schlechten Fotokopie von mir und war ungefähr so alt, so groß und so breit wie ich, nur dass er diesen besorgten »Krankenhaus-Blick« hatte. Aber den hatte auch ich manchmal. Mir fiel eine Formulierung ein: »Mürrischer Charme«, und ich brauchte eine Weile, bis mir wieder einfiel, woher sie stammte - vor ein paar Jahren hatte mich ein Interviewer so charakterisiert, und vermutlich hatte er hinzugefügt: Grollend, voreingenommen, selbstbezogen.
    Ich dachte: Die Toten werden rasch durch andere, identische Personen ersetzt, genau wie bei diesen Filmpreis-Verleihungen, die ich gemeinsam mit Henry besucht hatte. Wenn man dort kurz aufgestanden war, hatten sich sofort Studenten mit Fliegen um den Hals auf den freien Sitz gepflanzt, damit die Kameras keine leeren Plätze zeigten. Eliot hatte mir alles genommen, was ich nicht haben wollte, und es kam mir vor wie Diebstahl.
    Ich schaute Eliot an, und ich schaute Josephine an, und ich fragte mich, was die beiden miteinander verband. Vielleicht hatte sie gefunden, was sie gesucht hatte: einen Psychologen, der sich rund um die Uhr um sie kümmerte. Das war so, als hätte sie einen Arzt geheiratet.
    Ich mochte nicht lange bleiben, lehnte den angebotenen Tee ab, schenkte mir einen Schluck Wodka aus der Flasche ein, die ich vor ein paar Tagen im Kühlschrank deponiert hatte, fragte Eliot, in welchem Psychologie-Seminar er arbeite, und schüttelte ihm die Hand.
    Beim Gehen sah ich, wie er sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Oberlippe wischte. Er würde in meinem Schatten leben; ich wäre sein Geist. Denn Josephine würde immer mich lieben, oder? Das Gesicht meines Sohnes musste ihn unweigerlich an mich erinnern. Er fragte sich bestimmt, worauf er sich da einließ.
    »Was meinst du?«, fragte mich Rafi, der mich zur Pforte begleitete.
    »Er ist mutig, aber ich beneide ihn nicht«, sagte ich. »Der Umgang mit der eigenen Familie ist schon schwierig genug. Sich einer fremden anzuschließen, kann grauenhaft sein.«
    »Ist er ein anderer Psycho-Typ als du?«
    »Er ist nur Psychologe. Einer jener Leute, die behaupten, alles sei biologisch bedingt oder habe ausschließlich mit den Vorgängen im Gehirn zu tun. Ich wette, er spricht ständig über Tiere, ohne zu kapieren, dass man immer eins finden kann, um eine intellektuelle Haltung zu untermauern. Was will man haben? Schlangen? Esel? Insekten? Aber anders als der Mensch kann kein Tier jahrelang trauern.«
    »Diese Typen haben doch keine Ahnung«, erwiderte Rafi unterstützend und fügte noch hinzu: »Idioten. Mach dir keine Sorgen, Dad. Du solltest ihn reden hören. Zum Schnarchen öde. Er behauptet, dass deine Theorie reine Speku ... - Speku ...«
    »Spekulation sei?«
    »Ja. Spekulation«, sagte er mit jamaikanischem Akzent. »Und alles sei für den Arsch.« »Ja?«
    »Widerlegt. Schon seit Jahren.«
    »Heutzutage sind die Werbeleute vielleicht die einzigen wahren Psychologen«, sagte ich.
    »Ich muss dir beichten, dass wir gemeinsam in Urlaub fahren, Dad. Nach Malaysia.«
    »Wirklich?«
    »Er, ich, Mum und seine beiden Töchter. Ich habe jetzt zwei nagelneue große Schwestern - obwohl sie keine Verwandten und schon Teenager sind!«
    »Er hat wohl Geld, wie?«
    »Du wirst eine ganze Stange beitragen, sagt Mum. Schmerzt dich das?«
    »Allmählich schon, ja.«
    »Ich sage Mum, dass ich nicht mitfahre.«
    »Ich werde hier sein, wenn ihr zurückkommt, und ich werde der Alte bleiben. Ich habe ja Miriam und Henry und andere Freunde.«
    »Mum hat gemeint, dass du vielleicht die Katze fütterst, während wir weg sind. Ich hasse es, wenn du traurig bist«, sagte er, legte seinen Kopf an

Weitere Kostenlose Bücher