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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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mit Sommerkleid, Flip-Flops und Tasche. »Hört sich vielleicht komisch an, aber ich habe eine Burka getragen und dort drüben gesessen. Ich habe zugeschaut, wie du gesimst und dich so herzlich mit Josephine unterhalten hast«
    »Das warst du?«
    »Im Koran gibt es einen Vers dazu, der ungefähr so lautet: >Befehlt euren Frauen und Töchtern, sich mit ihren Gewändern zu verhüllen.<« »Mehr nicht?«
    »Den Bartträgern reicht das. Ich bin mit der Burka durch die Stadt gegangen. Durch das West End, durch das East End und durch Islington. Um auszuprobieren, wie die Leute mich anschauen.«
    »Und?«
    »Einige neugierige und viele feindselige Blicke, als würden die Leute befürchten, ich könnte eine Bombe dabeihaben. Ein Mann hat sogar gesagt: >Unter dem Teil sieht Ihre Bombe richtig fett aus.<«
    »Ha, ha!«
    »Ich würde mich freuen, wenn mich die Polizei anhalten und durchsuchen, meinetwegen sogar verhaften würde. Wie auf dem Flughafen. Ich will wissen, was man jetzt von uns denkt. Wirst du nicht belästigt?«
    »Als ich zuletzt in Heathrow war, hat der Typ bei der Passkontrolle gesagt, seine Frau finde mein neuestes Buch ganz toll.«
    »Ich möchte wissen, wie es für die anderen ist«, sagte Ajita. »Genau das hat Dad prophezeit. Dass wir Opfer sein würden wie Vieh, das man zusammentreibt. Hier waren wir nie in Sicherheit. Und jetzt haben sie endlich gute Gründe dafür, uns zu hassen und zu verfolgen. Ich will wissen, was mein Volk erdulden muss ...«
    »Dein Volk?«
    »Ja, die verhüllten Frauen. Die Leute starren einen an, sie ächzen und seufzen - vor allem die Frauen. Die Männer sind da eher achtlos.«
    »Ajita, ich habe dich unter anderem immer wegen deiner Hautfarbe gemocht«, sagte ich, »denn sie war wie meine. Aber ich habe dich nie als Muslimin gesehen.«
    »Ich habe mich mit Miriam darüber unterhalten.«
    »Tatsächlich?«
    Henry hatte von Ajita erzählt, und Miriam hatte sie besser kennenlernen wollen. Von mir ermutigt, hatte Miriam sie bei Mustaq angerufen und zum Tee eingeladen. Ich kam nicht mit, vermutete aber, dass sie einander viel zu erzählen hatten. Miriam hatte die Kinder und Nachbarn aus dem Haus gescheucht, und die Begegnung dauerte bis in den späten Abend.
    Miriam hatte versucht, über mich zu reden; sie hatte Ajita Fotos von Josephine gezeigt und von unserer Reise nach Pakistan erzählt. So, wie sie gestrickt war, hatte sie natürlich auch herausfinden wollen, was zwischen Ajita und mir lief, doch Ajita hatte dazu geschwiegen.
    Miriam hatte Ajita das Gleiche berichtet wie mir: dass ihre Gegend immer rassistischer werde, dieses Mal mit den Muslimen als Opfer. »Muslim« - oder »Mussie« - war ein neues Schimpfwort, und dazu kamen Beleidigungen wie »Schinken-Schädel« oder »Allah-Bombe«. In unserer Jugend hatte es Begriffe wie Paki, Nigger oder Curry-Fresse gegeben, doch die Religion hatte damals keine Rolle gespielt.
    »Bei Miriam gefällt es mir«, sagte Ajita. »Der Lärm, die Tiere, der ganze Familientrubel. So etwas Lebendiges habe ich nie zustande gebracht.« Sie fuhr fort: »Als wir zusammen waren, hast du mir nie von Miriam erzählt. Du hast sie kaum je erwähnt.«
    Nach dem Gespräch mit Miriam war Ajita von Bushy nach Hause gefahren worden. Unterwegs hatte sie Lust bekommen, das Cross Keys zu besuchen. Bushy, der sie beschützen wollte, weigerte sich, sie in den Pub zu lassen. Ajita hatte ihn angeschrien, denn sie hasste es, dass sie jeder vor allem bewahren wollte. Sie sei doch nicht aus Zucker, zum Teufel nochmal - und habe sie nicht schon »das Schlimmste« hinter sich? »Ich will dabei sein!«, sagte sie. »Man hat mich immer beschützt. Man hat mich zu Hause eingesperrt, und was ist mir hier passiert?«
    Bushy willigte ein, vor dem Pub zu parken und Wolf zu holen. Als dieser erschien, folgte ihm die Wuchtbrumme, wischte sich die Hände an der Schürze ab und meinte: »Die hätte ich nie im Leben eingestellt!« Natürlich außer Hörweite Wolfs.
    Nun sagte Ajita zu mir: »Du ahnst, was ich getan habe, oder? Ich habe Miriam auf die Probe gestellt. Eines Nachmittags bin ich mit zahlreichen öffentlichen Verkehrsmitteln quer durch London gefahren. Unglaublich, wie weit sie hinausfahren!«
    Diese jetzt so spärlich bekleidete Frau war also in der Burka durch die gefährliche Stadt gefahren und hatte alles genau im Auge behalten, ohne selbst gesehen werden zu können.
    »Ich habe sie anonym besucht. Die Burka in der U-Bahn zu tragen ist einfach grauenhaft. Unter dem

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