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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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>Der einzige Mensch, den ich je heiraten wollte, war Jamal.< Dann haben die Tanten mehr Druck gemacht, und sie hat tatsächlich überlegt, einen dieser halbwegs annehmbaren Esel mit den todlangweiligen Krawatten zu heiraten. Sie wollte nicht zurück nach London, hat aber viel von dir gesprochen.«
    »Ach, ja?«
    »Sie hat öfter gesagt: >Ich wüsste gern, was er in genau diesem Augenblick tut!< Sie hat sich gefragt, ob du viele Freundinnen hast oder nur eine einzige. Aber nach all der Zeit konnte sie schlecht zurückkehren und dich wieder für sich beanspruchen.
    Ich habe sie nach Amerika mitgenommen und ihr einen Job im Mode-Business besorgt. Dort ist sie Mark begegnet, von dem sie sich jetzt angeblich scheiden lassen will. Sie hat ihn einige Nerven gekostet, aber er ist bei ihr geblieben, und ich finde, sie sollte ihm dankbar dafür sein. Der Mann ist völlig am Ende, und ich habe sie gebeten, ihn zu trösten, aber sie weigert sich.« Er sagte: »Ich fand ... vor kurzem habe ich entdeckt - ich habe in ihre Tasche geschaut. Ich wünschte, ich hätte es nicht getan, ich bereue es - sie liest Bücher über Missbrauch.« »Ein boomendes Genre.«
    »Ich habe mich natürlich gefragt, ob ihr so etwas passiert sein könnte.«
    »Wäre nicht unmöglich.«
    »Ich verstehe das als ein Ja«, sagte er. »Wie viel hast du davon gewusst? Hast du es damals schon gewusst - oder erst später erfahren?« Ich schwieg. »Das arme Mädchen. Und ich habe nichts unternommen. Wir haben beide danebengestanden und die Hände in den Schoß gelegt, wie?
    Jetzt muss ich meine ganze Familiengeschichte überdenken. Aber für dich, Jamal, muss es heftig gewesen sein.« Er starrte mich an. »Ich muss jetzt nach Amerika, um eine Tournee zu organisieren. Ich möchte wieder Musik machen und live spielen. Irgendwo in der Dritten Welt werde ich eine Musik-Stiftung gründen. Ajita kann mir dabei helfen. Aber ich lasse sie nur äußerst ungern mit diesem Typen in London zurück.«
    »Andererseits möchtest du dich nicht plötzlich aufführen wie ein muslimischer Vater.«
    »Findest du, dass ich so bin?«
    »Dein Vater und du, ihr habt beide etwas Tyrannisches.«
    Er fuhr erregt fort: »Wenn du siehst, dass ein Mensch, den du liebst, einen Fehler macht, würdest du ihn doch auch warnen, oder?«
    »Wer hat denn behauptet, dass sie einen Fehler macht?«, erwiderte ich.
    Er umarmte mich und sagte: »Tut mir leid, ich bin daran gewöhnt, dass die Leute mir gehorchen.«
    Mustaq und ich gingen wie immer verwirrt und unzufrieden auseinander, als wüsste keiner von uns beiden genau, ob wir nun echte Freunde waren oder nicht.
    DREIUNDVIERZIG
    Mustaq flog zurück in die USA, und ich verabredete mich noch einmal mit Ajita.
    Ganz in meiner Nähe hatte ein neuer Inder eröffnet, eines dieser kurzlebigen Restaurants, in denen junge Polinnen bedienten, die tagsüber Englisch lernten. Das Essen wurde mit frischen Zutaten zubereitet und ertrank nicht in einem See von Fett, sondern war knackig. Das Dekor war enttäuschend modern - keine verstaubten Blumenketten, die von der Decke hingen. Der unheimlichen, angespannten und verängstigten Atmosphäre in der Stadt konnte man nur entkommen, indem man sich mit Menschen traf, die man mochte.
    Wir hatten das Schlimmste hinter uns und erholten uns wieder. Doch eine Woche später gab es ein weiteres, wenn auch missglücktes Bombenattentat. Alle waren verzweifelt und nervös. Wir fühlten uns bedroht und waren wütend, aber vermutlich nicht einmal halb so wütend und bedroht wie die Iraker. Meine Patienten kamen, und ich traf mich mit Rafi oder mit Miriam und Henry. Ich sah ständig die Nachrichten im Fernsehen. Das Alleinsein behagte mir nicht.
    Außerdem war ich neugierig, was Ajita und Wolf in dieser Zeit und an diesem Ort taten, mitten in London. Wolf würde Ajita ganz bestimmt über kurz oder lang die Wahrheit über den Tod ihres Vaters erzählen. Dann würde alles ans Licht kommen. Verhindern konnte ich das nicht.
    Ajita verspätete sich. Das störte mich nicht weiter, denn ich hatte mir angewöhnt, in Cafes zu schreiben, die es in London inzwischen in großer Zahl gab - Henry nannte London »Die Stadt der Kellnerinnen«. Außerdem hatte ich in letzter Zeit viel über den Islam gelesen und Zeitungsartikel zu dem Thema ausgeschnitten und abgeheftet. Genau
    wie viele andere Leute führte auch ich in Gedanken eine unablässige Debatte.
    »Du hast mich nicht erkannt«, sagte Ajita, als sie schließlich erschien, wie alle Mädchen

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