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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Ding ist es irre heiß, und man kann kaum etwas erkennen. Doch Miriam hat mir geöffnet und mich hereingebeten - bevor ich mich offenbart habe. Im Augenblick ist sie der einzige Mensch, mit dem ich reden kann.« Dann sagte sie unvermittelt: »Ich weiß, warum du mich nicht mehr wolltest.«
    »Wirklich?«
    Sie tippte sich an die Nase. »Ich weiß jetzt, wem dein Herz gehört.« Dann legte sie sich den Finger auf die Lippen. »Und Miriam weiß es auch.«
    »Miriam weiß nicht alles«, sagte ich. »Du fährst quer durch London, Ajita, du trägst einen schwarzen Sack, aber was beweist das?«
    »Wir waren eine säkulare Familie, Jamal. Vater hat nie eine Moschee besucht oder einen Bart oder Schnurrbart getragen. Welchen Nutzen hätte die Religion für ihn gehabt? Aber ich komme mir dumm vor, Jamal. Meine Eltern haben mir unsere Familiengeschichte vorenthalten. Wir haben weder Ahnung von der muslimischen noch von der westlichen Kultur - die Vater immer abgelehnt hat -, von der afrikanischen ganz zu schweigen. Wir waren nur reiche Idioten, und vielleicht sind wir das immer noch.
    Du hast dir während des Studiums und durch das Lesen eine kulturelle Grundlage angeeignet, Jamal. Du bist immerhin mit der Geschichte der Psychologie und alledem verbunden.
    Also will ich jetzt etwas lernen. Eine Algerierin besucht mich zu Hause. Azma spricht gut Englisch, und sie unterrichtet mich im Koran, erzählt aus ihrem Leben, über Politik, die Lage unseres Volkes, meiner Brüder und Schwestern, über die Unterdrückten in Afghanistan, Tschetschenien und im Irak. Ich würde zwar niemanden in die Luft sprengen, aber wir führen Krieg.« Sie fragte: »Wie fandest du die DVD?«
    »Ich war bewegt und aufgewühlt.« »Und weiter?«
    »Was hält Wolf davon?«, fragte ich.
    »Wolf? Ah, okay. Ich verstehe. Hat er es dir erzählt?«
    »Nein.«
    »Also Mustaq. Er hatte kein Recht dazu. Aber gut, es musste ja irgendwann herauskommen.« Sie biss an den Fingernägeln. »Hast du es die ganze Zeit gewusst?«
    »Warum sollte es ein Geheimnis bleiben?«
    »Ich dachte, du könntest dich übergangen fühlen.« Sie sah mich verärgert an. »Aber du hast nicht einmal das gefühlt, oder?« »Nein, ich habe meine eigenen Sorgen.« »Wegen deiner Frau?«
    »Keine Ahnung, ob sie sich noch als meine Frau sieht.«
    Nach dem Essen gingen Ajita und ich noch ein Stück gemeinsam, und ich erzählte ihr, dass Josephine in einem der psychologischen Seminare der Universität als Sekretärin gearbeitet hatte. Eigentlich hätte mir klar sein müssen, dass sie dort jemand »wegfischen« würde. Ich hatte mich gefragt, ob diese neue Beziehung Rafi verstörte, denn mich verstörte sie. Als ich mit ihm ins Kino gehen wollte und feststellen musste, dass er den Film schon kannte, schwante mir, dass etwas lief.
    »Du hast ihn schon gesehen?«, sagte ich. »Aber es ist einer deiner Lieblingsfilme, ein Streifen mit farbigen Gangstern, Niggern mit Fingern am Abzug und Nutten. Das würde sich deine Mutter nie im Leben anschauen.«
    »Ich habe ihn mit Eliot gesehen.«
    »Mit wem?«
    »Mums Freund.« Er verengte die Augen. »Mum meint, sie hätte nichts dagegen gehabt, dass du mit Kleidern ins Bett gegangen bist, damit du nach dem Aufwachen gleich wieder loskonntest, aber dass du die Turnschuhe anbehalten hast, hat ihr nicht gepasst. Sie meint, du hättest muffig gerochen.«
    »Sie war schon immer etwas etepetete.«
    Bald danach begriff ich noch mehr: Eine Begegnung ließ sich nicht vermeiden.
    Normalerweise kam Rafi immer auf seinem City-Roller bei mir vorbei, aber da er nicht auch noch seine Tasche mit den Sachen für das Wochenende schleppen konnte, musste ich sie holen. Er betrachtete seine Eltern nicht nur als seine Diener, sondern wollte auch manchmal das Baby sein, das er strenggenommen immer noch war, obwohl diese Seite von seinem pseudoerwachsenen Gangsterhabitus verdeckt wurde: Im einen Moment heulte er wie ein Schlosshund, im nächsten ließ er seinen Hintern auf meinen Kopf niedersausen, um ihn »platzen« zu lassen, weil ich angeblich ein Arschloch war.
    Ich muss Josephine zugute halten, dass sie mich im Vorfeld gewarnt hatte, ihr »neuer Mann« sei bei ihr zu Hause. Nun öffnete Rafi die Haustür, ausnahmsweise einmal schweigend, doch sein Blick zuckte nervös hin und her. Offenbar hatte ihn seine Mutter angewiesen, still zu sein. Keine besonders tolle Begrüßung, wie ich fand, doch ich nahm an, meine Paranoia zügeln zu können, wenn ich diesem Kerl - wer immer es sein

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