Das Sakrament
Ignacio lehnte sich mit wehleidigem Ausdruck vor. »Ich habe sie als mein eigenes Kind aufgezogen«, sagte er. »Und nicht nur, um meine eigene Ehre zu schützen, sondern weil ich sie mehr liebte als jedes andere Lebewesen auf Erden. Bittet sie, bei der Schmerzensreichen Jungfrau zu schwören, und sie wird Euch das auch bestätigen.«
Der Mann schien zu glauben, daß er Mitleid verdiene. Vielleicht gar Bewunderung.
»Obwohl ich sie so liebte, hat sie mich verraten und den Namen, den ich ihr verliehen hatte, mit einem der Hurensöhne des Täufers in den Schmutz gezogen.«
»Ihr Liebhaber war kein Ordensritter, sondern ein Dominikaner.«
»Ritter, Priester, Dominikaner, zum Henker mit allen!«
Das theatralische Benehmen des Alten bestätigte Tannhäuser in seiner Ansicht, daß die Privilegierten Mißgeschicke, wenn einmal sie davon getroffen wurden, mit wesentlich weniger Würde und sehr viel mehr Selbstmitleid ertrugen als der Rest der Menschheit. Er fragte: »Sagt mir, Euer Exzellenz, was war das Schicksal von Carlas Kind? Von ihrem Sohn. Wie hieß er? Wer hat ihn aufgezogen und wo?«
Ignacios Augen glitzerten boshaft. »Also plagt sie schließlich doch das Gewissen! Glaubt mir, wenn ich sage, daß meine Tochter es besser nicht erfährt.«
Tannhäuser seufzte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Hitze und der Gestank waren grauenhaft. »Ich bin genauso erpicht darauf, diesen Jungen zu finden, wie sie«, sagte er. »Ich bitte Euch um diese Auskunft als persönlichen Gefallen für mich.«
Don Ignacio grinste teuflisch. »Also hat sie auch für Euch die Beine breit gemacht.«
Tannhäuser packte den Alten bei den Kaninchenrevers seines Schlafrocks und zerrte ihn aus dem Stuhl hoch. Unter dem schweren Samt war er noch mickriger, als Tannhäuser erwartet hatte, und flog mit einem entrüsteten Schrei auf. Tannhäuser stieß ihn gegen das Kaminsims und umfaßte seinen Hals. Don Ignacios Entrüstung wich panischer Angst, als Tannhäuser sein krankes Gesicht nur wenige Fingerbreit von den lodernden Flammen hielt, die im Kamin brannten. Die Wunde pulste rosa, und die glitzernden Eitertropfen brodelten und spritzten in der Glut. Don Ignacio schrie auf.
»Du widerlicher alter Hahnrei. Jetzt sagst du mir, wo ich den Jungen finden kann, oder diese Nacht wird dir sehr lang werden.«
Der Alte schrie auf, als die Flammen seine Brauen ansengten.
»Der Junge ist tot!«
Tannhäuser schleifte ihn vom Kaminrost fort und schleuderte ihn wieder in seinen Sessel zurück. Während der Alte keuchte, beugte sich Tannhäuser über ihn, eine Hand auf jede Lehne gestützt.
»Woher wißt Ihr das?«
Der Schlitz von einem Mund öffnete und schloß sich. »Er wurde mit einem Boot auf das Meer hinausgerudert, in einen Sack gesteckt und –« Der Alte hielt inne, als würde ihm klar, daß ihm weitere Folter drohte. »Er war nicht der erste. Der Meeresboden ist übersät mit Bastarden!«
»Und doch habt Ihr Carla glauben machen, daß man ihn als Findelkind ausgesetzt hatte. Warum?«
»Warum ihr die Wahrheit sagen, daß sie mich einen Kindsmörder nennt?«
Tannhäuser konnte sich kaum zurückhalten, dem Alten nicht seine Faust in den Magen zu rammen. »Ihr seid zu feige, um eine solche Untat selbst zu tun. Wen habe Ihr mit diesem schrecklichen Verbrechen beauftragt?«
»Das erste Mal wurde ich betrogen, als Carla geboren wurde. Damals habe ich meinen Stolz unterdrückt. Ich habe das Geflüster hinter meinem Rücken ertragen. Das zweite Mal –«
Tannhäuser streckte die Hand nach dem Hals des Alten aus, erinnerte sich aber noch rechtzeitig an dessen Geschwüre und entschied sich für einen Stoß in dessen ausgezehrten Bauch.
»Sagt mir, wen habt Ihr geschickt?«
»Meinen Verwalter Ruggiero.«
Die Flügeltür wurde geöffnet, und der Verwalter erschien jenseits der Schwelle. Er beobachtete Tannhäuser und die Todesangst seines Herren ohne merkliche Gefühlsregung.
»Euer Exzellenz haben gerufen?«
Tannhäuser richtete sich auf und wandte dem jammervollen alten Grafen den Rücken zu. Er ging auf den Verwalter zu, der ängstlich zwei Schritte zurück machte. Tannhäuser schloß die Tür dieser Höllengruft hinter sich.
»Ruggiero.«
Der Verwalter duckte sich.
Tannhäuser sagte: »Ihr dient einem Unmenschen.«
Ruggiero erwiderte: »Sir, Ihr seid ein tapferer und kühner Krieger. Dient Ihr deswegen nicht auch Unmenschen?«
Tannhäuser stieß ihn gegen die Wand. »Gebt mir keine Widerworte! Ich vertrete Contessa Carla
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