Das Sakrament
seiner Geburt verbunden war, und das zerrte mehr an meinem Herzen, als wenn er ohne Unterlaß geschrien hätte. Ich konnte es nicht über mich bringen, ihn ins Fegefeuer zu verdammen, in demzwar keine Flammen lodern, das aber trotzdem ein Kreis der Hölle ist. Ich brachte ihn zu Pater Bernadotti in der Kirche Unserer Lieben Frau vom Licht, damit er in den Tempel Gottes eingehen könnte. Die Taufe würde ihm das ewige Leben sichern. Ich war der Taufpate des Kindes, denn sonst war niemand da, und als er mit dem heiligen Chrisam gesalbt wurde, fielen meine Tränen auf das Gesicht des Jungen. Da verstand Pater Bernadotti, was mir befohlen war. Er sprach keine Anschuldigung aus, aber er schaute mich an, als …«
Ruggiero rang die Hände. Er sprach hastig weiter.
»Ich konnte dem guten Priester einfach nicht in die Augen sehen. Nachdem die Taufe vorüber war, nahm er mich mit in die Sakristei, trug den Namen des Jungen in das Taufregister der Pfarrei ein und stellte die Urkunde aus, die Ihr in Händen haltet. Er ließ sie mich lesen, dann siegelte er sie und schloß sie fort. Er sagte mir, sobald er sichere Nachricht habe, daß der Junge in guten Händen sei, könne ich die Taufurkunde abholen. Wenn nicht, dann sei die Urkunde der Beweis für eine schreckliche Untat.«
Tannhäuser blickte wieder auf die Unterschrift. »Der Junge wurde getauft, der Priester bewies Anstand und Weisheit. Was dann?«
»Ich fiel auf die Knie und flehte um Vergebung für den Mord, den ich im Herzen trug. Bernadotti weigerte sich jedoch, mir die Beichte abzunehmen. Er nannte mir den Namen einer Frau in Birgu. Sie würde eine Amme finden, wenn ich das wollte. Falls nicht, dann dürfte ich seine Kirche nie wieder betreten, denn ebenso sicher würde ich, ganz gleich, welche Strafe mich ereilen würde, niemals ins Himmelreich eingehen.«
Tannhäuser hätte ihn beinahe am Revers gepackt. »Ihr habt den Jungen am Leben gelassen?«
»Ich habe ihn noch in jener Nacht nach Birgu gebracht.«
Tannhäuser war schon so nah daran gewesen, jede Hoffnung aufzugeben, daß diese Nachricht ihm beinahe die Stimme raubte. »Wie lautet der Name der Familie, die ihn aufgenommen hat?«
»Boccanera.«
»Und sie haben ihn aufgezogen?«
Ruggiero wiegte den Kopf hin und her. »Der Vater arbeitete auf der Werft, bis er von einer Galeere zerquetscht wurde.«
»Kennt Ihr den Jungen noch?«
»Ich habe ihn das letzte Mal gesehen, als er sieben Jahre alt war. Damals lief die Abmachung aus, die seinen Unterhalt regelte – eine Summe, die ich aus eigener Tasche gezahlt habe.«
»Orlandu Boccanera«, sagte Tannhäuser. »Soweit Ihr wißt, lebt er noch in Birgu?«
Ruggiero nickte. Tannhäuser nahm die Statue der Madonna vom Schreibtisch und warf sie Ruggiero zu. »Das schwört Ihr bei der Heiligen Jungfrau und bei Eurem Leben, das Ihr verwirkt, und bei der Höllenverdammnis, die Euch sicher ist, wenn Ihr lügt.«
»Alles«, beteuerte Ruggiero. »Ich schwöre beim Blut Christi.«
»Orlandu Boccanera.« Tannhäuser murmelte den Namen noch einmal wie einen Zauber. »Ihr habt der Contessa nie gesagt, was Ihr getan hattet. Warum?«
»Als ich den Säugling bei Boccanera untergebracht hatte und von Birgu zurückgekehrt war, hatte man die Contessa Carla bereits auf einer Galeere nach Neapel eingeschifft. Der Ehevertrag war schon besiegelt. Ich habe sie nie wiedergesehen. Mein Herr Don Ignacio hat es gern, wenn alles ordentlich erledigt wird.«
Tannhäuser dachte an Carla und verspürte einen Stich im Herzen. Auf ein stinkendes Schiff verfrachtet, während sie noch von der Geburt zerrissen und erschöpft war. Noch betäubt von dem Schmerz und der Schande, verbannt in die Fremde mit all ihren Schrecken. Mit fünfzehn Jahren. Es war nicht das erste Mal, daß Tannhäuser beobachtet hatte, wie skrupellos und grausam die Franken des Mittelmeers mit ihren eigenen Kindern umgehen konnten, insbesondere wenn es um irgendeine Schande und die Ehre der Familie ging. Sexuelle Verfehlungen trieben sie in den Wahnsinn. Zum Mord. Tannhäuser war selbst nicht zimperlich, wenn es um Übeltaten ging, aber diese Untat brachte sein Blut in Wallung.
»Nun«, meinte er, »auch ich erledige gern alles ordentlich.«
Ruggiero schrak in seinem Sessel zurück.
»Als Verwalter des Gutes seid Ihr sicherlich vertraut mit allen Geschäften Don Ignacios? Oder überwacht Ihr nur die Bücher und die Eintreibung der Pacht?«
»All das, Sir. Seine Gnaden verläßt sich ganz auf mich.«
»Und Ihr besitzt
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