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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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– an die Ihr Euch in den finstersten Stunden der Nacht nur zu gut erinnern werdet.«
    Ruggiero blinzelte, ansonsten veränderte sich seine starre Miene keinen Deut. »Es war mir immer ein Vergnügen, der jungen Contessa zu Diensten zu sein.«
    »Indem Ihr ihr neugeborenes Kind ermordet habt?«
    Kurz spiegelte sich Schrecken in Ruggieros Augen. Er versuchte, sich aus Tannhäusers Umklammerung zu lösen. »Ihr erlaubt, Sir?«
    Tannhäuser betrachtete ihn. Dann trat er einen Schritt zurück.
    Ruggiero nahm eine Lampe von einem Tisch in der Nähe. »Kommt mit, Sir, bitte.«
    Tannhäuser folgte Ruggiero einen Korridor entlang, eine Treppe hinauf, dann durch einige schmale Flure und eine weitere Treppe hinauf, bis er sicher war, daß er eine Stunde brauchen würde, um seinen Weg aus diesem Labyrinth zurückzufinden. Der Gedankean den Sack im Meer ließ ihm die Galle hochsteigen und erfüllte sein Herz mit einem düsteren Widerhall seiner eigenen schlimmen Verbrechen – dem Grund, warum er sich von den Agha Boluks zurückgezogen hatte. Die Bemerkung des Verwalters hatte ihn getroffen. Er hatte wahrhaftig auch Unmenschen gedient.
    Über eine dritte Treppe und durch eine Tür, die Ruggiero aufsperrte, kamen sie in ein großes Zimmer mit bleiverglasten Fenstern. Tannhäuser nahm an, daß es sich hier um Ruggieros eigene Unterkunft handelte. Ein Bett, ein Kleiderschrank, ein Lehnstuhl und am Fenster ein Schreibtisch. Eine Skulptur der Madonna aus milchig weißem Stein. Der Lohn lebenslangen Dienens. Ruggiero stellte die Lampe ab und schloß mit einem Schlüssel eine Schublade des Schreibtisches auf. Tannhäuser schaute hinein. Sie war leer, bis auf ein Stück Papier, mehrfach gefaltet und mit rotem Wachs gesiegelt. Ruggiero zog das Dokument heraus und wandte sich um.
    »Könnt Ihr lesen?« fragte er.
    Tannhäuser riß ihm das Papier aus der Hand und untersuchte das Siegel im Schein der Lampe. Der Abdruck sagte ihm nichts, aber das Siegel war nicht erbrochen. Unter dem Wachs schlummerten zwei Zeilen Schrift. Er öffnete das Siegel sorgfältig und schälte das Wachs mit dem Daumennagel ab. Die erste Zeile lautete: Madonna della Luce . Die zweite war ein Datum: XXXI Octobris MDLII .
    Der Vorabend von Allerheiligen 1552.
    »Madonna della Luce«, sagte Tannhäuser. »Der Name einer Kirche?«
    Ruggiero nickte. »Hier in Mdina.«
    Tannhäuser faltete das Papier auseinander. Es war in einer feinen Handschrift mit lateinischen Worten bedeckt. Beim ersten Wort hielt er mit pochendem Herzen inne. Er las weiter. Er erkannte die Worte Vater , Sohn und Heiliger Geist . Domine . Einen Namen: Orlandu . Noch einen: Ruggiero Pucci . Unten auf der Seite eine Unterschrift.
    Sein Blick wanderte wieder zum ersten Wort zurück: baptizo .
    Er schaute Ruggiero in die Augen. Sie waren voller Schuld und Furcht. Tannhäuser reichte ihm das Dokument. »Mein Latein ist nicht sehr gut.«
    Ruggiero nahm die Urkunde nicht zurück. Statt dessen deklamierte er aus dem Gedächtnis: »Getauft an diesem Tag, dem 31 . Oktober 1552 , ein Junge, Orlandu, bezeugt von Signor Ruggiero Pucci, seinem Vormund . « Seine Stimme brach, und er hustete, um das zu verbergen. »Erhöre unser Gebet, o Gott, und beschütze diesen Deinen auserwählten Diener, Orlandu. Möge seine Kraft ihn nie verlassen, da wir das Zeichen des Kreuzes auf seine Stirn gezeichnet haben.« Ruggiero räusperte sich wieder. »Unterzeichnet ist es von Pater Giovanni Bernadotti.«
    Tannhäuser wartete auf den Rest der Geschichte.
    »Ich diene Don Ignacio schon seit meinen Kindertagen. Ich schulde ihm alles, was ich bin. Als junger Mann war er von makellosem Charakter, mildtätig, gerecht und hatte das sanftmütigste Herz.«
    »Ich bin nicht gekommen, um den Sündenfall Eures Herren zu beklagen.«
    »Darf ich mich setzen?«
    Tannhäuser deutete auf den Sessel und lehnte sich selbst an den Tisch. Ruggiero holte tief Luft.
    »Don Ignacio wurde in jener Nacht von tausend Teufeln heimgesucht – in der Nacht, als das Kind geboren wurde. Vielleicht ist er auch heute noch besessen. Als ich mit dem Säugling auf dem Arm aus der Hintertür trat – und mit dem Sack, der sein Leichentuch werden sollte –, da hatte ich vor, den Befehl meines Herren auszuführen. Wie jeden anderen Befehl, den er mir gegeben hatte.« Ruggiero zögerte.
    Tannhäuser warf ein: »Auch ich habe schon mein gerüttelt Maß an üblen Befehlen ausgeführt. Sprecht weiter!«
    »Der Junge gab keinen Laut von sich, als wüßte er, was mit

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