Das Sakrament
Gelegenheit.
»Eine Aufzählung seiner Tugenden würde Euch bis zum frühen Morgengrauen aufhalten«, sagte er. »Für den Augenblick möge es ausreichen, daß es verdammt schwerfällt, zu glauben, daß er Euren Lenden entsprungen sein soll.«
Ludovicos Gesichtszüge verhärteten sich sofort wieder.
Mattias grüßte ihn zum Abschied: »Assalaamu alaykum . «
»Pax vobiscum . «
Carla schaute Ludovico nach, wie er in die Nacht hinaushumpelte, und konnte sich des Mitleids nicht erwehren. Noch nie hatte sie – mit Ausnahme ihres Vaters – einen Mann gesehen, der so sehr in seine eigene Finsternis verstrickt war.
Mattias spähte in den Dunst hinaus. »Anacleto ist auch irgendwo da draußen. Ich frage mich, warum er nicht auf mich geschossen hat. Wenn Ihr nicht so nah gewesen wärt, hätte er es vielleicht versucht.«
»Anacleto?«
»Ludovicos Faktotum, sein Schatten, sein Messer im Rücken. Ein Mann von auffallender Schönheit und ungezügeltem Charakter. Er erinnert mich an die Mördertruppen des Sultans, die Taubstummen aus dem Serail – seine Schritte sind lautlos.« Mattias nahm sie beim Arm. »Laßt uns ins Hospital zurückgehen. Es ist mir wohler zumute, wenn ich Euch dort weiß, zumindest heute nacht.«
Sie folgte ihm ohne Widerstand. Gemeinsam gingen sie in die Stadt zurück.
»Ihr habt ihn so unsanft behandelt, daß ich fürchtete, Ihr wolltet ein Duell provozieren«, sagte sie. »War das Eure Absicht?«
»Ich würde niemals ein Duell mit einem Mann ausfechten, denich so wenig respektiere. Lieber würde ich ihm im Schlaf die Gurgel durchschneiden. Er hat aber genug Beleidigungen für ein gutes halbes Dutzend mörderischer Zweikämpfe erduldet und alles tapfer geschluckt. Ludovico ist kein Feigling. So weiß ich, daß ich in seinen Gedanken bereits ein toter Mann bin. Und Ihr bereits in seinem Besitz seid. Er wartet nur den geeigneten Augenblick ab.« Mattias runzelte die Stirn. »Sagt mir, Carla, was zwischen Euch und ihm geschehen ist, während ich fort war.«
»Ich habe es für mich behalten, weil …«
»Das ist nicht wichtig.«
»Er ist mitten in der Nacht in mein Zimmer in der Herberge gekommen.« Sie sah, wie eine Wut auf seinem Gesicht aufblitzte, die ihre Angst rechtfertigte, ihm früher davon zu erzählen.
»Was war mit Bors und Nicodemus?«
»Bors hatte Wachtdienst, und Nicodemus schlief.«
Mattias verzog unwillig den Mund.
»Ludovicos Schritte sind auch lautlos.«
»Was hat er gesagt?«
»Er ist von Sinnen. Er sagte, er wolle mich heiraten und ein Kind mit mir zeugen, um mir Orlandu zu ersetzen.«
»Verrückt vom Krieg und verrückt vor Liebe. In seinem Fall auch noch verrückt nach der Macht.«
»Sein ganzes Leben steht vor ihm als ein einziger schrecklicher Fehler, den er wiedergutzumachen versucht, und zwar durch mich. Um ihn in Schach zu halten, habe ich ihm erklärt, daß ich einen anderen liebe. Er wußte sofort, daß ich von Euch sprach.«
»Ich hoffe, das war nicht nur eine reine List.« Tannhäuser lächelte. »Macht Euch keine Gedanken mehr über Ludovico. Denkt nur an unsere Flucht, und überlegt, ob ich Euch nicht doch dazu überreden kann.«
»Ich bin schon überredet.«
»Gut. Sagt zu niemandem etwas davon, nicht einmal Amparo.«
Sie fürchtete, daß hier ein Verrat geplant war, und hielt inne. Die Straße war schmal und finster. Sie trat näher zu ihm, um sein Gesicht zu betrachten. Sie sagte: »Amparo muß mitkommen.«
Er wirkte so verletzt, daß sie große Angst bekam.
»Für was für einen Mann haltet Ihr mich?«
Ehe sie sich entschuldigen konnte, wischte er ihren Einwand mit einer Handbewegung beiseite.
»Ich würde lieber sterben, als Amparo hier zurückzulassen.« Er atmete tief durch. »Ich liebe Amparo von ganzem Herzen, aber nicht so wie ich Euch liebe. Damit müßt Ihr Euch im Augenblick zufriedengeben. Ich will niemanden hintergehen und gestehe freimütig, daß mir all das sehr zusetzt. Ihr und sie, ihr seid zwei wunderbare Frauen. Was kann ich noch sagen? Wenn es Euch nicht gäbe, wäre ich nicht hier. Sollten wir diese Gefahren überleben, sollte ich Orlandu nach Hause bringen, dann werden wir heiraten, sofern Ihr noch dazu bereit seid.«
Mattias wartete ab, aber Carla nickte lediglich.
»Bis dahin neige ich dazu, die Dinge so zu belassen, wie sie sind. Das Meer ist schon unruhig genug, warum sollte man das Boot noch weiter ins Schwanken bringen? Könnt Ihr das akzeptieren?«
Was er mit der einen Hand gab, nahm er mit der anderen wieder,
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