Das Sakrament
können. Petrus erkannte mich nicht, an keinem Tag, an dem ich zu ihm ging. Er hat nie wieder ein Wort mit mir gesprochen. Eine Woche später haben sie ihn auf dem Hauptplatz verbrannt. An jenem Tag war es beinahe schon ein Akt der Barmherzigkeit. Ich konnte wenigstens die Gnade des Scharfrichters erkaufen. Er band Petrus einen Beutel voller Schwarzpulver, den ich ihm gab, um den Hals.«
Ein Klirren in der Dunkelheit in der Nähe ließ Mattias auffahren. Ein mörderisches Funkeln lag in seinen Augen, und Carla wußte, daß er, wenn sie nicht hiergewesen wäre, sein Schwert gezogen und sich in den Kampf gestürzt hätte. Sie blickte über die Schulter, und ihr Magen krampfte sich zusammen.
Ludovico stand in voller schwarzer Rüstung auf dem Geröll. Das Metall war matt vor Blut. Sein Helm hing ihm an einem Riemen vom linken Arm. Sein Gesicht war vor Müdigkeit eingefallen, nur seine Augen waren wie zwei winzige strahlende Lichter.
Ludovico fragte: »Habt Ihr eine kleine Erfrischung für einen Christenmenschen?«
Seine Augen ruhten auf Carla. Sie wandte sich ab. Sie verspürte plötzlich Angst, eine Angst, die sich wie eine Schlange in sie hineinfraßund sie mehr aus dem Gleichgewicht brachte als alles, was sie je in der Krankenstation gesehen hatte. Mattias blickte zu ihr hin. Sie spürte, daß jeden Augenblick seine Wut aus ihm hervorbrechen konnte. Er stand auf und rief Ludovico zu: »Wenn der Christenmensch kühn genug ist, darum zu bitten, dann soll er sich hinsetzen und willkommen sein.«
Ludovico schritt zu ihnen herüber. Er hinkte, aber das taten außer Bors beinahe alle Männer in der Festung. Er verneigte sich vor Carla und setzte sich hin. Er legte seinen Helm auf den Boden und zog die Panzerhandschuhe aus. Dann bekreuzigte er sich und murmelte ein lateinisches Tischgebet. Mattias reichte ihm den Weinschlauch und schaute zu, wie er trank. Dann nahm er den Schlauch wieder an sich und trank selbst. Ludovico aß in kleinen Bissen, kaute lange und mit der Haltung eines Asketen. Er starrte ins Leere auf einen fernen Punkt, den nur er kannte.
Mattias blickte ihn unverwandt an.
Keiner sprach ein Wort.
Carla verspürte mehr und mehr Unbehagen. Es schien ein Wettbewerb zu sein, dessen Regeln sie nicht kannte und der leicht möglich auch den Tod des Gegners mit einschloß. Sie wußte nicht, was sie sagen und ob sie bleiben oder gehen sollte. Sie warf verstohlene Blicke von einem Mann zum anderen, doch keiner schaute zurück. Schließlich faltete sie die Hände im Schoß und senkte die Augen. Die Stille um das Feuer schien sich auszudehnen, bis sie größer war als die Dunkelheit selbst, bis sogar das Getöse der Schlacht nur noch gedämpft herüberdrang. Als sie die Anspannung nicht mehr aushielt, erhob sie sich.
Sofort sprangen beide Männer auf.
»Danke für das Essen und die Gesellschaft«, sagte sie zu Mattias. »Ich muß zu meiner Arbeit zurückkehren.«
»Nein«, erwiderte Mattias. »Unser Gespräch ist noch nicht beendet. Bleibt noch.« Er fügte hinzu: »Wenn es Euch beliebt.«
Ludovico verneigte sich abermals vor ihr. »Ich wollte nicht unhöflich sein«, erklärte er. »Wenn Ihr es wünscht, verlasse ich Euch sofort.«
Carla bemerkte, daß Mattias ein höhnisches Grinsen kaum unterdrücken konnte.
»Iß dein Abendessen auf, Mönch«, sagte er. »Wenn du dir den Bauch vollgeschlagen hast, kannst du wieder in die Nacht zurückkriechen.«
Ludovico blickte ihn mit versteinerter Miene an.
»Setzt Euch«, gebot ihm Mattias. »Es war ja unvermeidlich, daß sich unsere Pfade wieder einmal kreuzen.« Als wollte er in Etikette niemandem nachstehen, verneigte er sich vor Carla und setzte hinzu: »Das heißt, wenn die Gesellschaft des braven Mönchs für Euch keine zu unangenehme Aussicht darstellt.«
Sie fragte sich, warum Mattias wollte, daß Ludovico blieb. Sie merkte, daß sie nickte, und so setzten sich alle drei wieder auf ihre Steinbrocken. Carla konnte nicht umhin, zu bemerken, daß beide Männer Mörder waren, denn ihre Rüstungen waren voller Blut. Noch beunruhigender war, daß die beiden um ihre Zuneigung zu wetteifern schienen. Die Atmosphäre war zum Zerreißen gespannt. Es war, als säße sie zwischen zwei Hunden, die sich gleich aufeinanderstürzen würden.
Ludovico deutete in die Richtung, aus der das Getöse der Schlacht zu hören war. »Man hält Euch für einen Experten in den Sitten der Ungläubigen, Hauptmann Tannhäuser. Wie viele Teufel werden wir noch umbringen müssen, ehe sie
Weitere Kostenlose Bücher