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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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ihre Sachen packen und nach Hause reisen?«
    »Kühne Worte aus dem Munde eines Priesters, der sonst die Angewohnheit hat, seine Nattern auszuschicken, daß sie für ihn das Töten übernehmen.«
    Ludovico schaute ihn mit ausdruckslosem Lächeln an. »Ich habe die Frage ernst gemeint.«
    Mattias antwortete mit gleicher Münze, doch unter dem dünnen Schleier der Freundlichkeit lag kalte Wut.
    »Seit der Belagerung Wiens im Jahre 1529 haben Suleimans Heere keinen Rückzug mehr angetreten. Dort hat sie der Schnee um den Sieg gebracht, ein Verbündeter, auf den wir hier wohl kaum zählen dürfen.«
    »Aber auf die Gnade und Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus Christus können wir zählen.«
    »Nur dadurch, daß Ihr ihn aussprecht, ist Sein Name schon besudelt«, sagte Mattias.
    Carla war entsetzt, sprach aber kein Wort. Warum reizte Mattias ihn so?
    Ludovico blieb völlig gleichmütig. »Ich bin zutiefst gerührt, daß ausgerechnet Ihr die Würde unseres Heilandes verteidigt.«
    »Ich bin mit den Worten und Taten Christi vertrauter als die meisten Eurer Schäflein«, antwortete Tannhäuser. »Ich habe die Evangelien und die Briefe des Apostels Paulus und die Apostelgeschichte selbst gelesen.« Er schaute zu Carla. »Wenn dies auch ein Verbrechen ist, das mit dem Tode bestraft wird. Ludovicos Herren haben ihr eigenes Heiliges Buch in den Sprachen des gemeinen Volkes verboten – eine neuartige Vorstellung, das müssen wir eingestehen, aber so kann wenigstens die Inquisition weiterhin ihre Arbeit tun.«
    »Ohne die weise Führung von Mutter Kirche«, warf Ludovico ein, »können die gemeinen Menschen die heiligen Schriften nicht verstehen. Sie könnten dem Irrtum verfallen.« Er blickte Carla an. »Es ist doch sicherlich kein weiterer Beweis notwendig als die Vergehen der Protestanten.«
    »Christus war auch ein gemeiner Mann«, entgegnete Mattias. »Und wenn Er vorhergesehen hätte, welche Übeltaten Ihr in Seinem Namen begehen würdet, dann hätte Er niemals Seine Werkzeuge aus der Hand gelegt und die Werkstatt Seines Vaters verlassen.«
    »Wenn Ihr Euch von der Einen Wahren Kirche abgewandt habt«, sagte Ludovico, »warum steht Ihr dann hier und kämpft mit den Soldaten des Glaubens?«
    »Der wahre Glaube des Soldaten ist der Glaube an den Kampf allein, nicht der Glaube an eine Sache.«
    »Es heißt, daß auf dem Schlachtfeld alle an Gott glauben.«
    »Vielleicht, denn sie sind ja schnell damit bei der Hand, Seinen Namen zu schreien. Aber wenn ich Gott wäre, dann würde mir das nicht schmeicheln, mich noch viel weniger beruhigen. Wie PetrusGrubenius sagen würde: Ihre reichlich späten Schreie um Sein Erbarmen sind kein schlüssiger Beweis für Seine Existenz.«
    »Ah«, meinte Ludovico. »Schon wieder Grubenius.«
    »Carla wollte wissen, wie Grubenius sein Ende gefunden hat.«
    »Und Ihr habt es ihr erzählt«, meinte Ludovico ausdruckslos.
    Mattias nickte. »Ich habe ihr alles berichtet. Nur den Namen des Inquisitors habe ich nicht erwähnt, aber das war auch nicht nötig, denn ihr Herz hatte diese Kunde bereits hinzugefügt, ohne daß ich sie ihr einflüstern mußte.«
    Ludovico blickte Carla an, und ihr wurde übel.
    »Grubenius war ein Genie«, sagte Ludovico. »Wir haben an jenem Tage sein ewiges Seelenheil gerettet. Wenn wir ihn freigelassen hätten, hätte er gewiß widerrufen und wäre für alle Ewigkeit der Verdammnis anheimgefallen. Tannhäuser und ich haben zugesehen, wie er in Flammen aufging.« Er schaute zu Mattias hin. »Der gute Hauptmann überragte alle anderen Männer auf dem Platz um Haupteslänge, aber er äußerte, wenn ich mich recht erinnere, auch keinen deutlichen Protest.«
    Carla erstarrte.
    Mattias regte keinen einzigen Muskel.
    Ludovico wandte sich wieder ihr zu. »Er war eine zu auffällige Erscheinung, als daß man ihn hätte übersehen können, wie Ihr Euch sicherlich vorstellen könnt.« Ludovico wirkte beinahe heiter und gelassen, nur seine Augen glitzerten vor Eifersucht. Er nahm das letzte Stück Brot aus dem Korb, aß es aber nicht. »Ihr scheint unglücklich, Carla«, sagte er. »Und Ihr müßt völlig erschöpft sein. Ihr solltet Euch eine Ruhepause gönnen.«
    Er hatte recht. Nichts wäre ihr lieber gewesen, als sich davonzumachen, aber sie hatte das Gefühl, daß sie, wenn sie das täte, sich illoyal verhalten und Mattias verraten würde. Sie spürte auch, daß Ludovico sie genau zu diesem Verrat veranlassen wollte. Sie schüttelte den Kopf. »Mattias und ich haben noch einiges

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