Das Sakrament
an Blut und Tränen kosten würde, dann wäre ich schon vor zwölf Jahren nach Malta gekommen und hätte dich noch in der Wiege erwürgt.«
Orlandu fuhr zusammen, als hätte man ihm eine Ohrfeige gegeben. Tannhäuser lächelte. »Wenn wir von jetzt ab unseren Weg gemeinsam gehen«, meinte er trocken, »dann wirst du dich an meine Scherze gewöhnen müssen, die ein wenig in die finstere Richtung gehen.«
»Dann seid Ihr nicht böse.«
»Hast du mir Grund dazu gegeben?«
»Warum hättet Ihr mich dann in der Wiege erwürgen wollen?«
»Als wir uns im Laufgraben von St. Elmo getroffen haben, da habe ich dir gesagt, daß du mich in einen schönen Tanz geführt hast. Damals wußte ich nicht, daß das Tänzchen gerade erst angefangen hatte. Nun, da es beinahe vorüber ist, würde ich sagen, daß dein bloßer Anblick jeden verdammten Schritt wert war.«
Tannhäuser dachte an Amparo und an Bors. Nein, er hatte unrecht, nicht jeden Schritt. Daran war aber nicht der Junge schuld.
»Also sind wir immer noch Freunde?« fragte Orlandu.
»Gewiß«, antwortete Tannhäuser. »Du bist vielleicht der einzige wahre Freund, der mir noch geblieben ist.«
»Es tut mir leid um den toten Engländer, Bors von Carlisle. Er hat mir auch gesagt, daß er mein Freund sei.«
»Das war er wahrhaftig. Sein letzter Angriff muß außerordentlich sehenswert gewesen sein.«
»O Gott«, sagte Orlando mit weit aufgerissenen Augen. »Vier gegen einen? Vier Ritter ? Es war schrecklich. Phantastisch. Aber warum?«
»Weil dies falsche und schlechte Ritter waren, Feinde von La Valette und unsere Feinde.«
»Wieso waren sie falsch und schlecht?«
»Das ist eine Geschichte, die ich dir ein andermal erzähle.« Tannhäuser schaute ihn ernst an. »Du mußt alles, was du gesehen hast, als Geheimnis bei dir behalten. Wenige Menschen sind fähig, eine solche Aufgabe zu erfüllen, so einfach sie auch scheint. Aber es ist eine Fertigkeit, die dir gute Dienste leisten wird.«
»Genau wie das Vortäuschen und Schauspielern.«
»Genauso, ja.«
»Aber Freunde sollten sich doch nichts vormachen«, meinte Orlandu.
»Nein, das sollten sie nicht«, antwortete Tannhäuser.
»Ihr habt gesagt, daß Fra Ludovico ein falscher Ritter war.«
Tannhäuser seufzte. »Im großen Spiel war er nicht nur auf einer Seite. In jedem großen Spiel gedeihen solche Rivalitäten stets bestens, denn die Menschen sind selten damit zufrieden, wie die Dinge liegen, und wenn sie versuchen, alles zu verbessern, sind sie sehr intolerant gegen alles, was sich ihren Gedanken entgegenstellt – oder sich auch nur von ihnen unterscheidet. Das Leben ist oft ein Rätsel, und ich bin der letzte, der hier den ersten Stein werfen könnte. Sicherlich war Ludovico tapfer und war ein Mann mit sehr starken Überzeugungen. In meiner Erfahrung aber ist jede Überzeugung, die so stark ist, ein zweischneidiges Schwert, doppelt scharf.«
»Er hat mir gesagt, daß ich meine Mutter ehren soll.«
Tannhäuser spürte, wie der Boden unter seinen Füßen zu erzittern schien. »Ein sehr lobenswerter Gedanke.«
»Er wollte mit mir nach Mdina gehen, um mich mit ihr zu vereinen.«
»Diese glückliche Aufgabe hat er nun mir vererbt.«
Orlandu fragte: »War Fra Ludovico mein Vater?«
Nun war es geschehen. Tannhäuser zügelte Buraq, und sie blieben stehen. Er gab vor, etwas am Zügel zu richten. Es war merkwürdig, aber ehe er die Tat vollbracht hatte, hatte er nicht bedacht, daß er Orlandu würde erzählen müssen, daß der Vater, nach dem sich der Junge so gesehnt hatte, von seiner Hand gestorben war.Und ihm war auch nicht klargeworden, wieviel ihm an der Zuneigung des Jungen lag. Er wandte sich zu ihm um. Die braunen Augen Orlandus schienen ihn zu durchbohren. Er las in ihnen eine so schutzlose Zuneigung ab, daß er ins Wanken geriet. Schließlich hatte Ludovico sich entschlossen, diese Enthüllung Carla zu überlassen, hatte ihm sogar seinen Segen gegeben, eine Lüge zu erzählen. Ludovicos Schande jedoch war nicht seine.
Er antwortete: »Ja, Bruder Ludovico war dein Vater.«
Orlandu kniff die Lippen zusammen.
Tannhäuser fuhr fort: »Ich habe ihn getötet.«
»Weil er ein falscher Ritter war?«
»Am Ende war er so treu und wahr, wie ein Mann nur sein kann.«
»Warum dann?«
Tannhäuser glaubte nicht, daß dies die richtige Zeit war, um die vielen Verbrechen Ludovicos aufzuzählen. Der Junge würde sie mit der Zeit schon erfahren. »Ich habe ihn getötet, weil das Schicksal es so
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