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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Ewigkeit hatte er das Gefühl, daß etwas wie Glück in seiner Brust aufflackerte. Er sagte: »Na, du scheinst ja bei den Heiden ein bißchen Fleisch auf die Knochen bekommen zu haben.«
    »Nach der Arbeit in der Werftbucht«, entgegnete Orlandu, »war die Arbeit bei Abbas das reinste Zuckerschlecken.«
    Tannhäuser lächelte, und Orlandu strahlte ihn an. Der Gesichtsausdruck des Jungen änderte sich schlagartig, als er wieder zu Ludovico schaute. Plötzlich wurde Tannhäuser klar, daß Orlandu nichts von der Feindschaft zwischen ihm und dem Inquisitor ahnte. Zumindest nichts geahnt hatte, bis Bors dem Mann eine Kugel in den Bauch geschossen hatte.
    Tannhäuser sagte: »Bruder Ludovico hat recht. Warte in Birgu.«
    Er warf Orlandu sein Gewehr zu, und der Junge fing es mit beiden Händen auf und kam dabei auf dem Pferd ins Schwanken, da er ohne Sattel ritt. Tannhäuser stieg ab, hängte sich seine Feldflasche um und reichte dem Jungen Buraqs Zügel.
    »Bring Buraq in die Stallungen des Großmeisters. Leg ihm eine Decke über und lauf noch mit ihm, und achte darauf, daß er zu Trinken bekommt, wenn er sich abgekühlt hat. Kein Fressen, bis ich komme.« Er deutete auf die prall gefüllten Satteltaschen zu beiden Seiten. »Und paß bloß auf meine Taschen auf.«
    »Nach einem Tag wie heute sollte man Buraq die Hufe säubern«, meinte Orlandu.
    »Ausgezeichnet«, sagte Tannhäuser. Er blickte zu Ludovico. »Der Junge lernt sehr schnell und arbeitet hart. Als wir uns das erste Mal begegnet sind, hatte er kaum je ein Pferd berührt.«
    Ludovico kämpfte gegen ein Zittern an und nickte bewundernd.
    »Der Junge ist genau, wie Ihr gesagt habt, tapfer und stolz.«
    Orlandu glühte vor Stolz.
    Tannhäuser schaute den Jungen an. »Aber nun verabschiede dich von deinem Retter. Und danke ihm.«
    »Er hat sich schon bei mir bedankt«, sagte Ludovico.
    Tannhäuser erwiderte: »Dann reicht ein Auf Wiedersehen.«
    Ludovico streifte einen blutigen Panzerhandschuh ab und hob seine Hand. »Komm näher«, sagte er zu Orlandu. Der Junge trat zu ihm und neigte den Kopf, um den Segen zu empfangen. Ludovico legte ihm eine Hand auf. Diese Berührung schien den Inquisitor mit einer ungeheuren Freude zu erfüllen.
    »Ego te absolvo a peccatis tuis«, Ludovico hob die Hand und machte ein Kreuzzeichen, »in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, Amen . «
    Orlandu bekreuzigte sich. Ludovico streckte ihm die Hand hin. Orlandu war überrascht, denn Ritter entboten seinesgleichen sonst nicht solche Höflichkeiten. Er schüttelte die dargebotene Hand.
    »Ehre immer deine Mutter«, mahnte ihn Ludovico. »Es gibt kein weiseres Gebot.«
    »Ja. Danke, Sir.«
    Orlandu schaute zu Tannhäuser, der ihm zunickte.
    »Auf Wiedersehen«, sagte Orlandu.
    »Gott sei mit dir«, antwortete Ludovico. Er ließ Orlandus Hand los.
    Tannhäuser und Ludovico schauten dem Jungen nach, wie er den Pfad hinunterritt. Sie sahen, wie er seinen Weg durch die Ruinen von Bormula fand, über die Große Ebene und durch das Provence-Tor. Dann standen sie eine Weile in ihrer eigenen Stille da, betrachteten den Hafen und die zerstörten Festungen und die halb dem Erdboden gleichgemachte Stadt. Die Siegesglocken läuteten. Tannhäuser erinnerte sich, daß er an einem Ort ganz in der Nähe damals in der Nacht Carla ihre Gambe hatte spielen hören, und er dachte daran, wie die beiden Frauen zusammen musiziert hatten, an die Augenblicke der Verzückung und Schönheit und an Amparo, wie sie im Mondlicht über die Bucht geschwommen war. Gullu hatte recht, sie würde immer bei ihm sein. Wieder versuchte er vergeblich, sich die letzten Worte ins Gedächtnis zu rufen, die sie zu ihm gesprochen hatte.
    Aus dem Provence-Tor erschienen zwei neue Reiter. Die Hufe ihrer Pferde wirbelten blutigen Staub von der Ebene auf. Tannhäuser wandte sich zu Ludovico um. Der Mann hielt sich kaum noch im Sattel, war so blaß und eingefallen wie ein Gespenst.
    »Laßt Euch aus dem Sattel helfen«, sagte Tannhäuser.
    Ludovico nickte und lehnte sich über den Hals seines Streitrosses. Er schwang ein Bein über den Rücken des Tieres, und als ersein Gewicht auf das andere stützen wollte, versagte seine Kraft vollständig. Tannhäuser nahm ihn um die Taille.
    »Ihr seid der zweite Mann, dem ich heute vom Pferd helfe.«
    »Ich hoffe, der erste war nicht so schwach wie ich.«
    Tannhäuser zog den Teufelsdolch hervor, und Ludovico machte sich wortlos auf sein Schicksal gefaßt. Tannhäuser schnitt die Riemen der

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