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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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verblüfft über seine Gelehrsamkeit. Sie brachte es zwar nicht fertig, zu nicken, widersprach aber auch nicht. Er schaute durch die F-Löcher auf den Schriftzug des Erbauers.
    »Wer hat dieses Meisterstück gebaut?«
    »Andrea Amati aus Cremona.«
    »Herrlich.« Er zupfte an einer Saite und beobachtete ihre Schwingungen. »Die Verwandlung von Bewegung in Klang – nun, das ist mal ein Geheimnis. Noch geheimnisvoller ist jedoch die Verwandlung von Klang in Musik, findet Ihr nicht?«
    Carla blinzelte verwirrt, zu überwältigt von seiner Beobachtung, als daß sie eine Antwort gewagt hätte. Tannhäuser schien auch keine zu erwarten. Er hielt die Gambe am ausgestreckten Arm vor sich, drehte sie hin und her und musterte sie mit ehrlicher Bewunderung.
    »Mein alter Freund Petrus Grubenius hat immer gesagt, wenn sich Schönheit und Zweck in Vollkommenheit paaren, ist das Magie in ihrer reinsten Form.« Er hielt die Gambe noch in der Hand, schaute sie an und lächelte wieder. »Wäre ich kühn genug, so würde ich die Bemerkung wagen, daß diese Beobachtung auch Euer Kleid mit einbezieht.«
    Carla spürte, wie ihr die Hitze in die Wangen stieg. Sie war diesem Kompliment nicht gewachsen, und es wäre ihr unschicklich vorgekommen, darauf einzugehen. Ein sündiges Gefühl durchströmte sie. Derlei Ängste und Zweifel hatten ihr Leben wie ein Schutzwall umgeben, seit sie denken konnte.
    Sie fragte: »Glaubt Ihr an Magie?«
    Tannhäuser nahm keinen Anstoß daran, daß sie sein Lob abgetan hatte, und stellte die Gambe mit einer Bewegung auf den Ständer zurück, die eine natürliche, tiefe Vertrautheit mit allen materiellen Dingen verriet.
    »Mit Beschwörungen, Hexerei und dergleichen habe ich nichts zu tun, wenn Ihr das meint«, erwiderte er. »Derlei falsche Künste stehen auf dem Boden des Aberglaubens – und wie Plato schon zu Dionys sagte: Die Philosophie sollte sich nie zur Metze gemeiner und ungebildeter Männer machen. Die Magie hat ihren Namen aus dem alten Persien, wo ein Magier ein weiser Mann war, der die der Natur innewohnende göttliche Fügung erklären wollte. Männer wie Zarathustra oder Hermes Trismegistus. Die Ägypter haben die Natur selbst für eine Magierin gehalten. In diesem Sinne – der Verwunderung über das Geheimnis aller Dinge – gibt es nichts, an das ich so sehr von ganzem Herzen glaube.«
    Carlas Hoffnung, diesen Mann ihrem Willen unterzuordnen, schwand zusehends.
    Er deutete auf ein zweites Instrument. »Und das hier?«
    »Eine Theorbe.«
    Er hob die doppelt bespannte Laute und untersuchte auch deren Bauweise mit gleicher Neugier.
    »Das Mädchen spielt auch wie eine Besessene«, sagte er. »Aber von Engeln, nicht von Dämonen besessen.«
    Er schaute sie wieder an, und erneut war Carla um eine Antwort verlegen.
    »Mich verwirrt ihre meisterliche Kunst – hier sind mehr Saiten, als ich zählen kann.«
    »Amparo ist begabt. Ich habe nur lange und viel geübt.«
    Carla war erleichtert, als der Verwalter Bertholdo eintrat und ein silbernes Tablett mit zwei Kristallbechern und einem Krug mit Minzsirup brachte. Bertholdo warf einen mißbilligenden Blick auf den Eindringling und rümpfte die Nase. Tannhäuser schien diese Ungezogenheit nicht zu stören. Bertholdo setzte das Tablett ab und wandte sich Carla zu.
    »Das wäre alles«, sagte sie.
    Mit einer kaum merklichen Kopfbewegung machte Bertholdo auf dem Absatz kehrt und wollte gehen. Als hätte man ihm ein Messer in die Schulter gerammt, blieb er beim Klang von Tannhäusers Stimme abrupt stehen.
    »Halt, einen Augenblick, Junge.«
    Bertholdo drehte sich mit bleichen Lippen um.
    »Ist es nicht üblich, daß sich ein Diener vor seiner Herrin verneigt, ehe er sie verläßt?«
    Sie sah, daß Bertholdo eine Widerrede überlegte, für die er durchaus unverschämt genug gewesen wäre, dann aber aus Tannhäusers Gesichtsausdruck schloß, daß die Gefahr einer Tracht Prügel zu groß war. Mit übertriebener Unterwürfigkeit verneigte er sich vor Carla. »Verzeiht mir, gnädige Frau.«
    Carla unterdrückte ein Lächeln. Bertholdo machte sich hastig aus dem Staube. Tannhäuser schaute mit offensichtlichem Durst auf den Krug. Carla hob ihren Becher auf, damit er auch seinen nehmen durfte. Die Kühle des Glases brachte erneut ein düsteres Lächeln auf sein Gesicht.
    »Schnee vom Ätna?« bemerkte er. »Man sorgt gut für Euch.« Er hob den Becher. »Auf Eure Gesundheit.«
    Sie nippte daran und beobachtete ihn, wie er den Sirup in einem Zug austrank und den

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