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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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sondern muß als Maßnahme der weltlichen Autoritäten erscheinen. Beide Aufgaben erfordern Geschick und Geschwindigkeit.«
    »Ja, Euer Exzellenz. Geschick und Geschwindigkeit.«
    »Im Gästehaus der Villa Saliba wohnt im Augenblick eine Adelige namens Carla de La Penautier. Sie muß unverzüglich zu den Minimen im Kloster vom Heiligen Grab in Santa Croce gebracht werden, um dort eine Zeitlang mit Gebet und Kontemplation zu verbringen, mindestens ein Jahr.«
    Das Kloster zum Heiligen Grab lag auf einem wasserlosen Felsen, der so zerklüftet war wie ein Schmerzensantlitz, etwa drei Tagesreisen entfernt im von der Sonne ausgedörrten Landesinneren von Sizilien. Der Ordensname Minimen deutete darauf hin, daß die Nonnen eine Ordensregel von ganz besonderer Strengeeinhielten. Sie lebten in absolutem Schweigen und hatten Fleisch, Fisch, Eiern und allen Milcherzeugnissen abgeschworen. Ludovico dachte an Königin Johanna von Spanien, die dreißig Jahre in einem verdunkelten Zimmer eingesperrt war, und überlegte, daß er Carla eigentlich noch schonend behandelte.
    »Sie wird nicht freiwillig mitgehen, aber solche Zurückgezogenheit kann nur von großem Nutzen für ihre Seele sein.«
    Gonzága setzte ein frommes Gesicht auf und nickte.
    »Man darf ihr keinerlei Vergehen anlasten, weder weltlicher, moralischer noch ketzerischer Art«, meinte Ludovico. »Schreibt nichts nieder! Nur ein Narr bringt Dinge zu Papier, die er auch durch Sprache vollbringen könnte. Und durch Sprache, die keine Zeugen braucht. Versteht Ihr mich?«
    Gonzága bekreuzigte sich. »Eure Exzellenz, es wird geschehen, wie Ihr verlangt.«
    »Die zweite Aufgabe wird den Einsatz von Waffen notwendig machen – genügend Waffen, um einen Mann zu überwältigen, der im Gefecht erprobt ist und sich wehren wird. Er hat vielleicht auch noch Verbündete. Wir haben diesen Mann heute morgen am Kai getroffen.«
    »Der Deutsche«, krähte Gonzága. »Ich hätte früher handeln sollen, denn der Mann ist ein halber Moslem und obendrein Geschäftspartner eines Juden. Doch er ist nicht ohne mächtige Freunde im Orden.«
    »Tannhäuser ist ein gemeiner Verbrecher. Er hat sich vieler Verfehlungen schuldig gemacht – Unterschlagung, Bestechung von Staatsbeamten und zweifellos vieler anderer. Es darf nicht aussehen, als sei dies eine kirchliche Angelegenheit. Laßt es von der weltlichen Polizei regeln, aber seht zu, daß sie schnell und beherzt durchgreifen.«
    »Muß der Deutsche lebendig gefangengenommen werden?« wollte Gonzaga wissen.
    »Tannhäusers Leben ist nicht von Bedeutung.«
    »Ich lasse sie auch den Juden festnehmen«, erwiderte Gonzága.
    Ludovico hielt den Judenhaß, der einem überall begegnete, fürvulgär und ohne jegliche Logik. Im Gegensatz zu dem lutherischen Abschaum stellten die Juden keine Bedrohung für die Kirche dar. Er antwortete: »Das sei den Bütteln überlassen.«
    »Ihre weltlichen Güter gehen natürlich in den Besitz der Kongregation über«, fügte Gonzága hinzu. »Uns steht ein Anteil zu.«
    »Habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt?«
    Gonzága erbleichte. Sein Mund verzog sich zu einer Entschuldigung, die er nicht auszusprechen wagte.
    »Es ist mein ausdrücklicher Wunsch«, sagte Ludovico, »daß die Heilige Inquisition keine Spuren in dieser Angelegenheit hinterläßt. Es muß eindeutig eine Handlung der weltlichen Autorität sein. Falls die Heilige Inquisition in irgendeiner Weise in Euer Vorgehen verstrickt würde, so würde ich Euch diese Nachlässigkeit persönlich anlasten.«
    Gonzága schaute zu Anacleto, der ihn anstarrte wie die Kobra eine Kröte. »Es wird alles so geschehen, wie Eure Exzellenz befehlen«, sagte Gonzága. »Keine Papiere, keine Zeugen, keine Spuren. Eine rein weltliche Angelegenheit. Ich werde keine Münze für meine Kongregation nehmen.«
    Gonzága schien auf Lob oder eine Zusicherung zu warten. Ludovico starrte ihn an, bis ihm seine Unterwürfigkeit zuwider geworden war.
    »Ihr habt viel zu tun, Pater Gonzága. Seht zu, daß es vollbracht wird.«
    Als Gonzága aus dem Raum eilte, verspürte Ludovico einen Hauch von Besorgnis. Er hatte Gonzága noch nie zuvor derlei Angelegenheiten übertragen. Der Mann war zwar verzweifelt bemüht, ihm zu Gefallen zu sein, aber er stank nach Übereifer und kleinlichem Ehrgeiz wie so viele Provinzler. Trotzdem war Gonzága vor Ort ein wichtiger Mann. Schade, daß Tannhäuser einer so niedrigen Kreatur zum Opfer fallen würde. Und was Carla betraf – ihr Schicksal würde

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