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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Becher dann mit einem tiefen Seufzer abstellte.
    »Ein außergewöhnliches Getränk. Ihr müßt mir erlauben, Euren Diener um das Rezept zu bitten.«
    »Er würde wahrscheinlich Schierling hinzufügen.«
    Tannhäuser lachte. Es klang leichtherzig und wohltönend, und ihr wurde klar, wie wenig Männerlachen sie in ihrem Leben gehört hatte.
    »Er betrachtet mich als ihm weit unterlegen, und doch muß er mich bedienen. Diese Peitsche für seinen Rücken hat er sich selbst gemacht, aber ich hoffe, Ihr vergebt mir, wenn ich auch noch Salz in seine Wunden gerieben habe.«
    Carla schenkte sein Glas noch einmal voll, war von seiner Offenheitentwaffnet. Sie war sich dessen bewußt, daß Tannhäuser all ihren Bewegungen mit den Augen folgte, und sie fragte sich, ob sie anmutig genug waren. Als sie den Krug wieder absetzte, klirrte er gegen den Becher, der Becher kippte, und sie fuhr erschreckt zusammen. Doch seine Hand schoß hervor, packte das fallende Glas und hob es an seine Lippen, ohne einen Tropfen zu verschütten.
    »Sie sind sehr gütig«, sagte Tannhäuser und trank einen weiteren Schluck. »Und nun, meine Dame, frage ich Sie noch einmal, wie ich Ihnen zu Diensten sein kann.«
    Carla zögerte. Der Blick seiner aufrichtigen blauen Augen verschlug ihr die Sprache.
    »Ich habe immer die Erfahrung gemacht«, meinte er, »daß in derlei Angelegenheiten viel für Kühnheit spricht.«
    »Ich bin hier vor etwa sechs Wochen eingetroffen. Seither habe ich feststellen müssen, daß mir alle Türen versperrt sind. Man sagt mir, Ihr könntet meine letzte und einzige Hoffnung sein.«
    »Ich fühle mich geehrt«, antwortete er. »Aber Ihr müßt mir sagen, welche Tür ich für Euch öffnen soll.«
    »Ich möchte auf die Insel Malta reisen.«
    Sie hätte mehr sagen können, doch als sie sah, wie der Schreck seine Züge plötzlich erstarren ließ, schwieg sie. Wieder erinnerte er sie an einen Wolf, nun an einen, der den Schritt eines Jägers gehört hatte.
    Er erwiderte: »Ihr seid Euch der Tollkühnheit – des Wahnsinns – einer solchen Unternehmung bewußt?«
    »Man hat mich Hunderte von Malen ausführlicher über die zahlreichen Gefahren unterrichtet, als mir lieb war. Ich bin nun eine Expertin für die Grausamkeiten der Türken und die schauerliche Zukunft, die alle Bewohner von Malta erwarten soll. Obwohl so viele zu den Festungswällen eilen, um dort zu sterben, hält man mich für unfähig, dergleichen allein zu entscheiden.«
    »Aber Ihr seid doch sicher nicht auf die Festungswälle oder den Tod aus.«
    »Nein, ich will nur die schwere Last, die ohnehin schon auf dem Orden liegt, noch durch die Sorge um mein gefährdetesWohlergehen erhöhen, ihre Vorräte an Essen und Wasser verschwenden und mich allgemein so verhalten, wie sie mich einschätzen: als eine eingebildete und nutzlose Frau, die nicht mehr ganz richtig im Kopf ist.«
    Die verborgene Wut, die in ihrer Stimme mitschwang, machte ihn stutzig. Tannhäuser sagte nichts, und Carla errötete. Sie stand da, faltete die Hände und wandte sich von ihm ab.
    »Vergebt mir, Herr, aber, wie Ihr seht, bin ich verzweifelt.«
    »Man evakuiert dort schon seit Wochen unnütze Esser, Tausende von ihnen«, sagte er. »Dahinter steckt unbestreitbar eine Logik. Bei der Belagerung von Sankt Quentin haben die Verteidiger sie mit dem vorgehaltenen Speer aus den Toren getrieben, wo sie jämmerlich umkamen.«
    »Ich kann Eure Einschätzung nicht anzweifeln. Ich bin ein unnützer Esser.«
    »Warum wollt Ihr nach Malta?«
    Carla drehte sich nicht um. »Ich bin Malteserin.« Sie hatte das noch nie zuvor behauptet, denn ihre Familie war sizilianischer Abstammung. »Es ist mein Zuhause.«
    »Man rennt nicht in ein brennendes Haus zurück, nur weil es das Zuhause ist«, erwiderte er. »Es sei denn, es ist dort noch etwas Wertvolles zurückgeblieben. Etwas, für das man zu sterben bereit ist.«
    »Mein Vater lebt auf der Insel, in Mdina.« Für ihren Vater war sie längst gestorben. Er wäre auch für sie gestorben gewesen, wäre da nicht noch der Schmerz in ihrem Herzen gewesen, der die Erinnerung an ihn lebendig hielt. Tannhäuser antwortete nicht. Sie wußte, daß diese Erklärung jämmerlich war, und fragte sich, was sich wohl auf seinem Gesicht widerspiegelte, drehte sich aber trotzdem nicht zu ihm um. Sie fügte noch hinzu: »Welche Tochter würde sich in solch finsteren Zeiten nicht wünschen, bei ihrem Vater zu sein?«
    Tannhäuser sagte: »Ihr verlangt, daß ich mein Leben aufs Spiel

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