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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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geöffnet. Bei jedem Atemzug deuteten sich an ihren Flanken die Umrisse ihrer Rippen an. Er hob leicht den Kopf, um die sanfte Wölbung ihres Hinterteils zu betrachten. Obwohl ihr Gesicht gezeichnet und ihre Gedanken seltsam waren, schien sie ihm eine Schönheit zu sein. Sein Geschlecht war erregt und wurde noch erregter, als er mit der Handfläche über die Muskeln ihres Rückens strich. Seine Fingerspitzenfuhren Wirbel für Wirbel hinab, bis sie sich zwischen die Wölbungen schmiegten, die ihm solche Wonnen bereiteten. In dieser sinnlichen Verzückung konnte sich ein Mann für immer verlieren, wenn die Welt es ihm nur erlaubte. Er überlegte, ob er Amparo langsam mit Küssen und geschickten Zärtlichkeiten wecken sollte. Inzwischen wußte er, daß ihr Körper so begierig auf seine Hände war wie seine Hände auf sie. Dann würde er sie umfangen, in sie hineingleiten und sie mit kräftigen Stößen an die Matratze fesseln.
    Amparo murmelte im Schlaf und rollte sich auf den Rücken. Er betrachtete ihre Brustwarzen, die nun nicht mehr von seiner Körperwärme umfangen waren und in der kühlen Morgenluft hart und dunkel wurden. Keine innere Leere machte ihm nun mehr zu schaffen. Den Schmerz der Lust, der ihn ausfüllte, die Gedanken an Amparo, die sich seiner ganz bemächtigten, die verzehrende Leidenschaft, die so viele seiner Tage erfüllte, wie er nur ermöglichen konnte, all das würden die Gläubigen der verschiedenen Lager, unter die es ihn verschlagen hatte, als sündig brandmarken. Er war bereit, sich zu Lastern und zahllosen Verbrechen zu bekennen, konnte aber an der Verzückung, die ihm Amparo schenkte, nichts Schlimmes finden. Eine halbe Meile von diesem Ort entfernt, wo sie beide verschlungen lagen, moderten Tausende von anderen Körpern zusammengedrängt in einem stinkenden Graben, den Möwen und Krähen zum Fraß vorgeworfen. Sowohl diejenigen, deren Leichen den Graben anfüllten, als auch diejenigen, die sie mit eigener Hand dorthin geschickt hatten, waren sich sicher, daß sie das Paradies erringen würden, von allen Sünden geläutert waren. An der Schuld der Menschen aber, die miteinander Unzucht trieben, die miteinander in den Sonnenaufgang hineindämmerten, bestand kein Zweifel.
    Tannhäuser schob Amparo das Haar aus dem Gesicht und schaute sie an. Ihre Züge waren so friedvoll, so unschuldig und unberührt von dem Wahnsinn, in den sie sich gestürzt hatte, daß er es nicht über sich brachte, sie aus diesem Paradies zu vertreiben. Dieser Gedanke an Zurückhaltung war ihm so ungewohnt, daß er sich fragte, ob das Gefühl in seinem Herzen Liebe seinkönnte. Er betrachtete Amparo weiter: die kaum merklichen Falten an ihrem Hals, die verschiedenen Strukturen ihrer makellosen Haut, die glatten Umrisse ihres Bauchs, den Schimmer auf ihrem runden Schenkel. Er küßte ihre Lippen, so sanft, daß sie sich nicht rührte. Er blinzelte und lehnte sich an die Wand.
    Was für ein Mann wurde aus ihm? Sie hatten zwei Tage lang kaum das Zimmer verlassen, was sogar nach seinen Regeln eine außerordentliche Nachlässigkeit darstellte. So lautlos wie möglich stand er auf. Er drehte sich um und schaute zu ihr herab. Er küßte sie noch einmal. Von der Straße her hörte er das Klirren von Rüstungen und gedämpfte verzweifelte Schreckensschreie. Obwohl er wußte, was er sehen würde, ging er zum Fenster.
    Zwei Feldwebel des Ordens, ihrem Aussehen nach zu urteilen Aragoner, trieben einen nackten Türken in Handschellen über die Majistral-Straße. Die Narben, die seinen Rücken durchzogen, wiesen ihn als Galeerensklaven aus. Er hatte als Knebel einen Seilknoten im Mund, der die Gebete ersticken sollte, die er auf dem Weg zum Galgen zu sprechen versuchte. Nach La Valettes Weisung war dieser Sklave der achtzehnte Moslem, der aufgehängt wurde, seit man den Puppenspieler von der Bastion der Provence gestürzt hatte. Es war ein Nachteil dieser Unterkunft, daß jeden Morgen die zum Tode Verdammten vor dem Fenster vorbeischlurften. Tannhäuser beschloß, Starkey zu fragen, ob man vielleicht eine andere Route wählen könnte. Der achtzehnte Sklave erinnerte ihn daran, daß er schon viel zu lange auf Malta verweilte.
    Er hatte überall nach dem Namen – nach einer Erinnerung, einer Spur, einem Gerücht – eines Jungen gesucht, der am Vorabend von Allerheiligen im Jahre 1552 geboren war, doch er hatte nichts gefunden. Wenn Carlas Sohn noch lebte, dann bezweifelte Tannhäuser, daß er überhaupt noch auf der Insel war. Er

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