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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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hatte überlegt, Carla dazu zu überreden, sofort wieder abzureisen, ehe der Krieg sie alle verschlang, aber sein Stolz schreckte vor diesem Eingeständnis einer Niederlage zurück. Außerdem würde Carla nicht aufgeben. Er sammelte seine Stiefel und Kleider vom Boden auf und ging nackt die Treppe hinunter.
    Im Garten hinter der Herberge hatte Tannhäuser sich von zwei Sklaven ein riesiges Faß mit Meerwasser aufstellen lassen. Unter dieser Wanne hatten Tannhäuser und Bors eine Kiste mit fünfzig Pfund Opium vergraben. Mit fortschreitendem Krieg würde es an Wert zunehmen, und sie planten, bis zu ihrer Abreise einen phantastischen Gewinn damit zu erzielen. Tannhäuser erleichterte sich im Staub. Er sprang in das Faß und fluchte, als ihn das kalte Wasser schreckte. Er glitt tief hinein, bis die Salzlake ihm bis zum Hals reichte, und lehnte sich zurück, um den Himmel zu beobachten, der sich vom zarten, grau überhauchten Rosa einer Muschel zu einem blassen sanften Blau wandelte. Den restlichen Tag würde er in erstickender Hitze verbringen, und diese wenigen kühleren Augenblicke schenkten ihm eine tröstliche Erinnerung an Berge und Schnee. Dieser Wanne hatte er auch den Beginn seiner Liebschaft mit Amparo zu verdanken.
    Eines Morgens, als er hier im Wasser lag, war sie über die Gartenmauer gesprungen, als seien Mauern in ihren Augen einzig zu diesem Zweck errichtet worden. Sie war zur Wanne herübergekommen und hatte ohne jede falsche Scham oder Scheu seine Tätowierungen gemustert.
    Tannhäuser hatte ihr die Bedeutung der Zeichen erklärt und ihr von dem geheiligten Kult der Janitscharen erzählt, die mit ihren Babas , ihren Derwischvätern, in ihren Kasernen lebten, die Gesellschaft von Frauen mieden und an ihren Feuern Gedichte rezitierten, die von der Sehnsucht handelten, im Dienste Allahs zu sterben. Während Amparo nicht das geringste Interesse an seinem Vortrag zu haben vorgab, war sie fasziniert von seinem Körper, den sie mit ihren langen Fingern mit den mandelförmigen Nägeln betastete und streichelte. Diese Herausforderung war zu viel für ihn. Er hatte keinerlei Absicht gehabt, mit einer ihm anvertrauten weiblichen Schutzbefohlenen zu tändeln, denn stets lauerte im Dickicht der Liebe auch das Unheil, aber er hatte sich gesagt, daß das Leben kurz war und täglich kürzer wurde. Er war in einem Zustand nicht zu verhehlender Erregung aus der Wanne gestiegen, und in einerspontanen Geste war sie in seinen Armen gelandet, und er hatte sie in das Zimmer getragen, in dem sie nun schlafend lag.
    Er war ein Narr, aber so war es nun einmal gekommen. Während das kühle Wasser jede Schläfrigkeit und Lust aus seinen Gedanken spülte, jede düstere Erinnerung an den Islam und an das Rätsel, daß er eine Frau liebte und plante, eine andere zu heiraten, dachte er über seine Lage an diesem Ort nach, sicherlich dem seltsamsten Ort auf Erden.
    Seit jener ersten unentschiedenen Schlacht am 21. Mai hatte sich Tannhäuser nicht an irgendwelchen Kämpfen beteiligt, was ihn sehr zufrieden stimmte. Die Türken hatten Birgu noch nicht von der Umgebung abgeriegelt, denn sie hatten ihre Aufmerksamkeit auf ein anderes Ziel gelenkt – auf St. Elmo. Also war es keine Großtat, sich vor Sonnenaufgang aus dem Kalkara-Tor zu schleichen. So hatte er unzählige Ausflüge in das Land vor den Festungsmauern gemacht, unter dem Deckmantel eines Opiumhändlers vom Ordu-Basar, der Verpflegungseinheit der Türken, die jenseits der Berge auf der Marsa-Ebene ihre Zelte aufgeschlagen hatte.
    Wie immer bei großen Feldzügen der Osmanen war dieser Markt eine über das Meer hierher verpflanzte Stadt aus etwa hundertfünfzig Zelten und seidenen Pavillons. Von hier aus gingen unzählige Händler ihren Geschäften nach. Barbiere, Metzger und Feldschere, Zuckersieder, Krämer, Kupferschmiede, Schneider und Schuhmacher, Apotheker, Harnischmacher, Waffenschmiede, Sattler, Hufschmiede, Kerzenzieher, Stellmacher und Maurer, ja es gab sogar Juweliere und Goldschmiede, die sich um die vielen Reichtümer kümmerten, mit denen die Offiziere und Beys ihre Gewänder und Waffen verzierten. Diese Händler dienten dem Heer, waren aber unabhängig. Da der osmanische Adel den Banken mißtraute, trug man seine Reichtümer im Gepäck mit sich, wo immer man auch hinging, und das Geld, das hier im Basar von Hand zu Hand ging, ließ Tannhäusers Herz höher schlagen.
    Von jenseits des Basars strömte der Duft von Tausenden von Brotöfen, deren Steine man in den

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