Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
Vom Netzwerk:
hier am Eichberg isolieren, wird keiner von uns den nächsten Winter überstehen!«
    Jan blickte schweigend zu den verwahrlost wirkenden Feldern auf den Hügeln des Sakriversums.
    Bronco hatte recht!
    »Was schlägst du vor?« fragte Jan leise.
    »Sprich mit Agnes oder ihrer Tante Mathilda! Wir müssen gemeinsam einen Weg finden, durch den wir überleben können ...«
    »Und Corvay?«
    »Lello hat ihn bereits verlassen ...«
    Jan nickte.
    »Danke, Bronco«, sagte er. »Ich glaube, wir waren alle viel zu lange unfähig, selbst zu denken!«
    *
    Das nahende Gewitter türmte immer mehr Wolken übereinander. Schwarzgraue Wolkenberge wallten höher und höher. Blitze zuckten durch das Gemisch aus Wasserdampf und Kondensationskernen. Niemand sah, wie sich das Chaos reißender Luftströme im Inneren der Thermikschläuche in gegenläufigen Bewegungsrichtungen bekämpfte.
    Der erste harte, trocken krachende Schlag vernichtete das Verlagsgebäude von J. S. Bruhns.
    Der Blitz fuhr wie ein Flammenschwert durch die Mauern. In Bruchteilen von Sekunden riß er das Dach auf, wirbelte Sonnenkollektoren zur Seite und sprengte das Gebäude wie eine taube Nuß.
    Die Trümmer flogen über den Vorplatz der Kathedrale. Sie prasselten gegen Spitzbogen, Bündelpfeiler, Wandfiguren.
    Goetz konnte sich gerade noch zur Seite werfen. Nur um Haaresbreite entging er einem zweiten Blitzschlag. Er preßte sich gegen die Wand neben den schweren Portaltüren. So ein Gewitter hatte er noch nie erlebt! Die Blitze folgten in immer kürzeren Abständen. Es war, als würde die Kathedrale den ganzen Zorn des Himmels auf sich ziehen ...
    Fassungslos beobachtete Goetz, wie das Verlagshaus auf der anderen Seite des Platzes in Flammen aufging. Damit war sein Stützpunkt in der verlassenen Stadt vernichtet!
    Sturzbäche nahmen ihm die Sicht. Es wurde dunkler als in der Nacht, in der die Bomben die Menschheit ausgerottet hatten. Vermutlich war auf der ganzen Erde das Klima durcheinander geraten. Er hatte nicht darauf geachtet, aber jetzt fiel ihm ein, wie kalt es in den vergangenen Wochen gewesen war. Dabei müßte längst Frühsommer sein ...
    Während er bei jedem neuen Donnerschlag zusammenzuckte, versuchte er, alle Götter des Himmels und der Erde gleichzeitig zu verdammen.
    Aber es ging nicht! Er wußte einfach nicht, welchem der vielen Götter in der Geschichte der Menschheit er die Schuld geben sollte!
    Goetz kaute auf seiner Unterlippe. Er hätte nie gedacht, daß er einmal die Abhängigkeit zurückwünschen könnte, die ihm in den vergangenen Jahren oft als Unfreiheit vorgekommen war.
    Jetzt war er frei:
    Verdammt frei sogar ...
    Er tastete sich durch die Dunkelheit bis zu der Turmtür, die er schon einmal aufbekommen hatte. Während gleißende Blitze für Sekunden den Vorraum erhellten, nestelte er den Magnetstift hervor. Er steckte ihn in die dafür vorgesehene Öffnung, doch nichts geschah. Die Tür zum Turm blieb verschlossen.
    Dann mußte er es eben mit anderen Methoden versuchen!
    Er verließ den Vorraum. Im Mittelschiff der Kathedrale leuchtete ein grell zuckendes Inferno durch die hohen, bunten Fenster. Das wütende Donnern kam ihm im Schutz der Kirchenmauern etwas leiser vor.
    Der Gabelstapler stand noch vor den Altarstufen. Er kletterte auf den Sitz und tippte seinen Personen-Kode ein. Ein schwaches, rotes Lämpchen glühte an der Steuersäule auf: das Zeichen dafür, daß die Batterien zu schwach geworden waren.
    Goetz blieb eine Weile wie benommen sitzen. Seine Hände klammerten sich um die Steuersäule. Im gleichen Augenblick ärgerte er sich, daß er aus einem Gefühl von Pietät den Leichnam des toten Küsters vor dem achteckigen Raum im Keller wieder zur Seite geschoben hatte. Jetzt kam er nicht einmal mehr zu den Lebensmitteln und Werkzeugen in der Vorratsgruft.
    Er dachte an die MUSE . Was hatte sie gesagt, ehe die Projektion erlosch? Er merkte, wie er langsam in Panik geriet.
    Als er noch krank und halb betäubt gewesen war, hatte ihm die ganze Wahrheit nicht so viel ausgemacht wie in diesen Augenblicken. Er konnte längst wieder klar denken, aber dadurch wurde seine Situation nicht angenehmer. Im Gegenteil!
    Das Gewitter wurde langsam schwächer, während sich die Abstände zwischen Blitzen und Donnern mehr und mehr vergrößerten. Durch die bunten Fenster sah der zuckende Lichtschein nur noch wie ein Wetterleuchten aus.
    Goetz kletterte vom Gabelstapler. Er öffnete den Werkzeugkasten dort, wo er früher schon eine Abdeckplatte

Weitere Kostenlose Bücher