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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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glauben ...
    Guntram erkannte, daß glauben die Fähigkeit bedeutete, mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele alles zu sehen. Und nur wer das verstand, konnte ein Eingeweihter werden!
    Er hörte ein geheimnisvolles Raunen in jeder Zelle seines Körpers. Es war, als würde eine alte Melodie aus der Unendlichkeit des Alls durch seine Adern fließen: ein Strom von Tönen, der schon da war, ehe das Leben auf dem Planeten Erde anfing ...
    »Panta rhei - alles fließt!«
    Als die Menschen merkten, daß immer neues Wissen ihren Glauben zu überschwemmen drohte, hatten sie damit begonnen, gewaltige, himmelweisende Archen für ihre Seelen zu bauen. Wie Bäume im Mahlstrom der Geschichte hatten sie versucht, die Wurzeln ihres Seins vor den neuen, revolutionären Umwälzungen zu schützen.
    Vergeblich!
    Die Veränderung, der Fortschritt und die Aufklärung waren wilder und mächtiger geworden als die uralten Werte.
    Die Eingeweihten, Seher, Alchimisten und Propheten hatten nur noch eine Chance gehabt: ihr Mann hieß Benedikt Gaetano, Papst Bonifatius VII. Was er mit der Bulle Unam sanctam nicht erreicht hatte, konnte auf eine andere, höchst ungewöhnliche Weise den sicheren Niedergang der Menschheit überdauern.
    Die »doppelte Wahrheit« war die Synthese, die sowohl die höhere geistige als auch die niedere rationale Wahrheit tolerierte ...
    Guntram betrachtete die Symbole auf den Seiten des Großen Buches. Sie verbanden viele winzig klein gemalte Pläne miteinander. Er entdeckte Zeichnungen von arabischen Labyrinthen, Destillationsapparaten, Schmelzöfen, Katapulten und anatomisch wirkenden Tierkörpern.
    Und plötzlich erkannte er die Umrisse eines Fluggeräts ...
    Er beugte sich tiefer und schloß das linke Auge. Mit dem anderen las er die kaum sichtbaren Buchstaben unter dem vergilbten Plan:
    »Arche ... zu ... den ... Weltenräumen ...«
    Das war es! Die Maschine mußte irgendwo in der Teufelsmauer verborgen sein. Er zitterte am ganzen Körper, merkte nicht, wie Nancy neben ihn trat.
    »Was hast du, Guntram?«
    Er stützte sich auf die Glasplatten der Lade. Das Große Buch verschwamm vor seinen Augen. Hatte der große Kathedralenbaumeister alles vorausgesehen, was in den siebenhundert Jahren nach seinem Tod geschehen würde? Hatte er deshalb seine Kinder vor der Welt versteckt und dafür gesorgt, daß sie von Generation zu Generation immer kleiner wurden?
    So klein, daß sie nach dem Untergang der Weltlichen und der Verseuchung der Erde ihr Refugium verlassen konnten, wenn sie bedroht und in Gefahr waren?
    Er hörte die Stimme des Bankert- Mädchens. Ganz langsam drehte er sich um. Sie starrte ihn entsetzt an, schlug die Hände vor den Mund und schrie.
    Er wußte nicht, daß seine unterschiedlich gefärbten Augen wie der Stein der Weisen glühten.
    Nancy wich Schritt um Schritt vor ihm zurück. Sie stolperte gegen das Bett des toten Eremiten, stieß mit den Schultern gegen Röhren und Gerätschaften an der Wand.
    Guntram hob die Hände. Sie schrie noch hysterischer. In panischer Angst rannte sie zur Tür vor der Treppe nach unten. Überall neben der Tür waren Hebel und Seilzüge in die Steinwände eingelassen. Sie trugen Zeichen und Symbole, die sie nicht verstand. Wahllos riß sie an einigen Hebeln.
    Die Tür öffnete sich. Nancy stolperte die Treppe hinunter. Ein zweiter Raum, eine zweite riesige Tür mit kleinen Durchlässen. Guntram rannte hinter ihr her, aber er erreichte sie nicht mehr. Als eine Gruppe von Bankerts sie laut johlend einfing, drehte sich Guntram schweigend um. Er wußte, wohin er jetzt gehen mußte ...
    *
    Mathilda rührte mit einem langen, frischgeschnitzten Holzlöffel im Suppenkessel. Sie suchte ein paar saftige Ziegenfleischbrocken aus der Brühe und legte sie auf die Teller der verhungert aussehenden Jungen.
    »Eßt nur! Eßt nur!« drängte sie. »Das habt ihr euch weiß Gott verdient!«
    Bronco, Jan und Pete schnauften satt.
    »So gut hat es schon lange nicht geschmeckt«, stöhnte Jan und klopfte sich auf den Bauch.
    Mathilda nickte zufrieden. Sie stemmte die Hände in die Seiten und sah sich um. Seit die Clan-Chefs das Lager verlassen hatten, fühlte sie sich für die zurückgebliebenen Angehörigen ihres Volkes irgendwie verantwortlich.
    Sie wollte nicht mehr daran denken, daß sie ihren Vater und ihren einzigen Sohn verloren hatte. Meister Wolfram war ein alter Mann gewesen. Ludolf hatte ihr stets weniger Schwierigkeiten gemacht als Guntram und Agnes.
    Sie wischte sich die Tränen aus den

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