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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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Aber er war böse, niederträchtig und gemein! Du hast den Ärmsten aller Armen eine Hoffnung vorgegaukelt! Du hast behauptet, daß es auch für Mißgeburten einen Himmel gibt, in dem sie so sein können wie die Engel. Das, Corvay, das hätte selbst der schlimmste aller Teufel nicht gewagt!«
    Llewellyn Corvay hockte wie ein buntes Fossil aus einer anderen Zeit auf der Bank unter der Linde.
    »Ich weiß nicht, was ihr eigentlich wollt ...«
    »Vielleicht weiß er ja irgend etwas«, wiederholte Hector. Diesmal meinte er König Corvay. Er stellte sich wie eine Leibwache neben ihn.
    Ed Jankowski und sein dickleibiger Partner Severino fanden es an der Zeit, vorsichtig nach Osten zurückzuweichen. Schritt für Schritt traten sie aus dem Lichtkreis von Hectors Fackel.
    Als sie am Teich ankamen, drehten sie sich um und fingen an zu laufen.
    »Die sind verrückt!« keuchte Ed Jankowski. »Die ganze Zeit haben sie uns etwas vorgelogen. Vielleicht stimmt nicht mal das mit den Bomben ...«
    Sie stolperten nebeneinander über Hügel, auf denen Flachs, Weizen, Gerste und Hafer wuchsen. In den Tälern erkannten sie im langsam heller werdenden Dämmerlicht Glashaufen, Erzbrocken und Stapel mit farbigen Steinen.
    Als sie die hohen, offenstehenden Dachfenster im Osten fast erreicht hatten, versanken ihre Füße plötzlich in weichem Boden. Severino strauchelte. Er stürzte in den aufwirbelnden Mudd und versank fast in kleingehäckselten Blättern, Zweigen und Pflanzenabfällen.
    Ed Jankowski zog ihn wieder hoch.
    »Jetzt ist Schluß!« prustete Severino. »Ich will hier raus - und zwar so schnell wie möglich!«
    Gemeinsam kämpften sie sich durch das immer bodenloser werdende Kompostgebiet. Es wirkte wie ein trockenes Moor. Als sie es fast geschafft hatten, blieb Ed Jankowski wie versteinert stehen.
    »Mein Gott! Was ist denn das?«
    Vor ihnen ragte eine flache Mauer bis zu den großen Stützbalken des Daches. Aber die Mauer war nicht aus Steinen aufgerichtet!
    »Knochen ...«, murmelte Severino tonlos und schluckte. »Das sind doch Knochen!«
    Unwillkürlich bekreuzigte er sich. Das hatte er seit Jahren nicht mehr getan.
    »Jetzt reiß dich doch zusammen, verdammt noch mal!« zischte Ed Jankowski. Er stieß seinen Partner ungeduldig weiter. Auf der Knochenmauer lagen Tierschädel und menschliche Totenköpfe. Ein paar Schritte weiter standen hölzerne Bottiche mit übelriechender Lauge. Daneben waren Öfen aufgebaut, über denen Kupferkessel hingen. Ähnliche Öfen hatte Ed Jankowski schon im Tal mit den Erzbrocken gesehen.
    »Komm weiter, sonst entdecken sie uns noch!« drängte Severino. Sie stiegen über die Knochenmauer. Kurz vor den Fensteröffnungen sahen sie Flaschenzüge mit hölzernen Rollen, zusammengerollte Strickleitern, seltsame Netze aus Metallfäden, einen Stapel Haken, eiserne Ketten und Eimer mit halbrunden Öffnungen und jeweils drei Ösen, in die lange Leinen geknotet waren.
    »Was ist das?« fragte Severino verständnislos.
    »Was geht uns das noch an?« knurrte Ed Jankowski. »Vielleicht eine Art Schrottplatz dieser Schander. Oder der Hafen, von dem aus sie die Dächer und die Regenrinnen abgefischt haben ...«
    Er lachte wie über einen seiner üblichen Witze.
    »Los! Nimm dir eine Strickleiter und ein Seil! Wir steigen ab!«
    Severino reagierte nicht.
    »Was ist denn? Warum kommst du nicht?«
    »Ich ... ich bleibe hier ...«
    Ed Jankowski ließ ein Bündel Seile fallen, das er gerade erst aufgenommen hatte. Er schlug seinem etwas beschränkten Partner mit dem Handballen zwischen die Schulterblätter. Severino war ein Genie, wenn es darum ging, Computer-Codes zu knacken, aber er wußte manchmal nicht, in welche Hand die Gabel und in welche das Messer gehörte ...
    »Was ist denn nun schon wieder?«
    Severino deutete auf einen unförmigen, schwarzbraunen Kasten zwischen zwei Balken der Dachkonstruktion.
    »Sie haben ... es ist unfaßbar ... sie haben Batterien ...«
    »Na und? Was ist daran so ungewöhnlich?«
    »Überleg doch mal!« keuchte Severino. Er hob die Hände und spreizte sie wie zu Krallen, die eine imaginäre Kugel greifen wollten.
    »Batterien! Strom! Elektrizität! Ein Bauernvolk aus dem dreizehnten oder vierzehnten Jahrhundert mit diesem Wissen?«
    »Das hatten schon die Babylonier«, sagte Ed Jankowski trocken. »Braunstein, Zink und etwas Salpetersäure. Wo soll da ein Geheimnis sein?«
    Zum erstenmal in seinem Leben haßte Severino den Mann, dem er bisher stets gefolgt war. Er bückte sich und

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