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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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lägen wir heute schon als Leichen in den Bleikellern!« sagte Heinrich, der Clan-Chef der Bäcker-Familie. »Die Bankerts waren der Sauerteig, den unser Volk brauchte ...«
    Die anderen Familienältesten blickten auf.
    »Was sagst du da?«
    »Heinrich - ich warne dich!« sagte Herbort leise.
    »Willst du dich anbiedern bei ihnen?« fragte Otto.
    Heinrich schüttelte bedächtig den Kopf. Er schob seinen hohen, runden Hut zurück. Als Einziger trug er ein hellblaues Band mit einer Schleife am Hut. Diese Regelung stammte noch aus dem Mittelalter, als Nachtwächter das Dorf bewachten. Nur die Bäcker durften nachts auf die Straße, um Mehl vom Nachbarhof zu holen, wenn es ihnen ausgegangen war.
    Schon vor dem ersten Blinken der Beryllos-Linsen hatten sie Brotteig geknetet, und in besonderen Nächten war nur aus dem Haus der Bäcker und der Alchimisten ein schwacher Lichtschein auf die Büsche in den Gärten gefallen.
    Heinrich trank einen Schluck Met. Die Drähte und Seile, die über ihren Köpfen zum Schaltpult in der Tischmitte liefen, zitterten leise. Normalerweise hatten sie sich unten getroffen. Dieser Raum hatte zwar ebenfalls zugemauerte Fenster, aber er war nie ein Versammlungsort, sondern eher eine Arbeitsstätte für Logenmeister gewesen.
    »Ich will euch sagen, was ich meine«, sagte Meister Heinrich nach langem Überlegen. Die anderen merkten, wie schwer es für ihn war. »Wir leben doch schon siebenhundert Jahre wie eine urchristliche Gemeinde. Jeder hat das bekommen, was er brauchte. Und wenn es mehr als das gewesen ist, war niemand böse. Aber wir hatten auch Regeln und Verbote. Nur Sammler wußten, was man hereinholen konnte, die Doktor-Familie kannte die Aasberge und bei den Alchimisten durfte niemand zuschauen, wenn sie destillierten ...«
    »Worauf willst du denn nur hinaus?« fragte Eilhart der Jäger.
    »Laßt mich doch ausreden, bitte! Jede Mutter hatte das Recht, ihren Kindern das Wassertrinken zu verbieten, wenn sie Pflaumen oder Stachelbeeren gegessen hatten. War das nun autoritär oder fürsorglich?«
    »Soll das ein Geheimnis sein?« fragte Lamprecht.
    »Ja. Viele Verbote haben einen Sinn, auch wenn sie Freiheiten beschränken. Das war schon immer so. Natürlich kann das ausgenutzt werden, aber wer ohne alle Regeln leben will, wird sein eigener Feind!«
    »Spielst du jetzt auf die Bankerts an?«
    »Nein, auf die Vorsorgliche Behütung der Weltlichen. Sie war nicht streng genug, sonst hätten sich die Menschen nicht selbst vernichten können ...«
    »Haben sie etwas Pflaumen gegessen und Wasser drauf getrunken?« fragte Otto, der nicht richtig zugehört hatte.
    Die anderen murrten verhalten.
    Heinrich hob die Hände.
    »Es ist nicht falsch, was Otto sagt! Sie wollten alles - jede Freiheit ohne Grenzen. Und vielleicht wollten sie sogar ausprobieren, was geschieht, wenn sie die Waffen einsetzten, die sie so überreichlich hatten ...«
    Er schwieg für einen Augenblick.
    »Neugier«, sagte er dann, »Neugier und Lust daran, Gefährliches zu wagen! So wie der erste Affe, der ins Feuer griff, sich dabei verbrannte und gleichzeitig den köstlichen Geruch von gebratenem Fleisch entdeckte ...«
    »Das ist pervers!« sagte Meister Friedrich.
    »Laß nur, laß nur!« wehrte Herbort ab. »Als Doktor, Schlachter und Abdecker kann ich verstehen, was er meint.« Er wandte sich an Heinrich. »Bist du fertig mit deiner Rede?«
    Der Clan-Chef der Müller-Familie räusperte sich und sagte: »Ich sagte schon, daß wir alle nicht mehr leben würden, wenn die Bankerts nicht gekommen wären. Sie haben uns gezwungen, hierher zurückzukehren. Allein hätten wir das nie geschafft.«
    »Und weiter?« fragte Eilhart der Jäger.
    »Wir können die Mechanik des Sakriversums nicht mehr bedienen«, stellte Heinrich fest.
    »Es steht im Großen Buch, wie man es macht«, sagte Lamprecht.
    Heinrich schüttelte den Kopf.
    »Um die Geheimnisse zu lernen, würden wir Jahre brauchen. Doch dafür haben wir keine Zeit! Es sind viel mehr Menschen im Sakriversum, als wir über den Winter ernähren können. Und außerdem liegt vor dem Abendzeichen ein Weltlicher , der nur aufzustehen braucht, um alles zu zertreten ...«
    Die Clan-Chefs schwiegen bedrückt.
    »Was können wir tun?« fragte Meister Lamprecht schließlich.
    »Wir haben bisher zwar immer nur Tiere getötet, die eine Gefahr für uns darstellten«, sagte Eilhart der Jäger. »Vielleicht müssen wir jetzt ...«
    »Nein!«
    Sie wußten nicht, wer es gesagt hatte, aber sie

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