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Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale.

Titel: Das Sakriversum. Der Roman einer Kathedrale. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas R. P. Mielke
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    Die Drohne kam auf ihn zu. Sie flog bis dicht vor sein Gesicht, tauchte zur Seite weg und versuchte einen neuen Anflug.
    Lello spürte plötzlich eine unheimliche Wut in sich. Er bückte sich und klaubte einen Steinbrocken auf. Die Drohne schwirrte frech und hartnäckig um seinen Kopf.
    »Wie diese Telereporter«, dachte Lello. Sie hatten sich auf alles gestürzt, was die Meßwerte der angeblichen Sensations-Nachrichtensendungen auch nur einen Punkt verändern konnte.
    Er holte aus zum Wurf. Der siebenhundert Jahre alte Mauerbrocken traf die fliegende Aufnahmeeinheit an der Kante des Objektivs. Zwei weiße Lichtzungen zuckten über die erste Linse. Der künstliche Vogel plusterte sein Tarngefieder auf, ehe er dann immer schwächer flatternd in einen Bottich mit Gülle fiel.
    Lello hatte genug. Er humpelte Ebene um Ebene höher. Als er die Ziegen und die Schafe wiedersah, fühlte er sich besser.
    Das Sakriversum war noch immer dunkel. Nur oben schimmerte ein schmaler Lichtstreifen an der Mauer, die beide Seiten des hohen Daches voneinander trennte.
    Ohne Ziel wanderte Lello nach Osten. Er ging zwischen der Schafsheide und den unteren Gärten zum Tal, das als Salzlake bezeichnet wurde. Die spitzen und gewölbten Ausläufer der Felder wechselten sich mit breiten Mulden ab. Er wußte inzwischen, daß sie Hülsebruch, Holzkotten und Waldhufe hießen.
    Das letzte Tal vor dem Abendzeichen war der Sündanger. Hier wurde es allmählich heller.
    Lello stieg am Waldrand nach oben. Als er die Straße fast erreicht hatte, sah er Bronco. Der kleine Trapezkünstler kauerte zwischen den unteren Ästen einer Eiche.
    »Was machst du da?« fragte Lello.
    »Ich wache«, antwortete Bronco, nachdem er sich von seinem ersten Schreck erholt hatte. Er rutschte von seinem Sitz herunter.
    »Hast du etwas zu trinken?«
    Lello konnte den anderen kaum verstehen, aber er wußte, was Bronco meinte. Er nestelte eine flache Flasche von seinem Gürtel, holte einen in vielen Ringen zusammengeschobenen Trinkbecher hervor und zog ihn auseinander, bis sich ein stattliches Gefäß ergab.
    Er füllte den Becher mit einer Mischung aus Wein und Met, Kräutersud und Brunnenwasser.
    Bronco trank mit langen, durstigen Zügen.
    »Möchte nur wissen, warum es immer noch dunkel ist«, sagte er und wischte sich über die Lippen.
    »Das hängt mit der Technik zusammen«, sagte Lello. »Ich glaube, daß die Schander längst nicht so einfältig sind, wie König Corvay immer behauptet hat.«
    »Sie tun nur so«, bestätigte Bronco. »Habe gehört, was dieser Guntram dem Weltlichen dort oben erzählt hat. Mußte sehr laut sprechen, damit der andere ihn überhaupt verstehen konnte ...«
    »Was machen sie jetzt?« wollte Lello wissen.
    »Habe die ganze Zeit aufgepaßt«, sagte Bronco. »Jede Bewegung ganz genau beobachtet. Sie sagen, daß sie beide miteinander verwandt sind ...«
    »Wer?«
    »Der Kleine und der Große.«
    »Unsinn!« lachte Lello trocken.
    »Doch, doch! Gleiche Vorfahren - Baumeister der Kathedrale oder so ...«
    Lello fühlte plötzlich ein eisiges Entsetzen in sich. Wenn das stimmte, wenn es auch nur im Entferntesten der Wahrheit nahe kam, ergab sich dann nicht eine höhere Fügung, ein geheimer Ratschluß und ein Plan, bei dem er selbst und alle anderen nur Schachfiguren waren?
    Er dachte an seine Mutter, die ihn verleugnete, und seinen Vater, der auch der Vater von Agnes und Guntram gewesen war. Selbst die geklonte Nancy McGowan gehörte irgendwie dazu ...
    Konnte es sein, daß sie alle eine Familie bildeten oder eine Gruppe menschlicher Lebewesen, deren Zusammensetzung schon vor mehr als siebenhundert Jahren geplant worden war?
    Er dachte an den künstlichen Vogel unten im Irrlichtmoor.
    Die Drohne !
    War sie ein Auge für die Spieler gewesen, die bis zur großen Katastrophe das Gewächshaus mit Menschenkeimlingen beobachtet hatten?
    Lello wischte sich über die Stirn. Er wollte nicht mehr weiterdenken! Nicht in dieser Richtung ...
    »Er will wieder nach unten«, sagte Bronco. »Guntram hat ihn überredet. Warten beide nur noch auf mehr Licht.«
    Lello lehnte sich an einen Baumstamm. Er fühlte sich plötzlich matt und zerschlagen.
    »Was hast du?« fragte Bronco. »Alarmschnur ziehen?«
    Lello schüttelte den Kopf.
    »Du kannst ins Dorf gehen und ausschlafen. Ich übernehme deine Wache.«
    Bronco grinste überrascht.
    »Du?«
    »Ja.«
    Es dauerte nicht lange, bis Bronco seine Habseligkeiten zusammengerafft hatte. Er stopfte alles in

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