Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Wangen, Lippen, Kinn, und sie atmete schneller und schneller. Michel überließ sich ganz ihrem Rhythmus, und es dauerte nicht lange, bis er sich mit einem Keuchen in sie ergoss, beide Hände in die Decken gekrallt. Isabelles Höhepunkt kam nur einen Augenblick später, sie legte den Kopf in den Nacken und schrie ihre Lust hinaus.
»Wir sollten versuchen, leiser zu sein«, murmelte er anschließend, als er sie im Arm hielt und spürte, wie sich der trommelnde Schlag ihres Herzens allmählich beruhigte. »Man hat dich gewiss bis zur Saline gehört.«
»Das sagt sich so einfach. Aber vielleicht sollten wir weniger Vergnügen an der Sache haben, wie es sich für anständige Christenmenschen gehört.«
»Gut. Ab jetzt beten wir vorher zwei Paternoster , das dürfte unsere Lust abkühlen. Und wenn das nicht reicht, drei Ave-Maria hinterher.«
Sie lachten leise. Was sie hier taten, war schändlich, ja gefährlich, und Michel wagte nicht daran zu denken, was geschehen würde, sollte Gaspard je davon erfahren. Zu allem Überfluss verletzte er mit seinem unzüchtigen Verhalten seinen Gildeneid, der einen ehrbaren und gottgefälligen Lebenswandel von ihm verlangte. Dennoch konnte er nicht anders, als Glück zu empfinden, wenn er mit Isabelle zusammen war. Reines, unverfälschtes Glück.
Später liebten sie sich noch einmal, zärtlicher diesmal und weniger gierig. Danach lagen sie eine ganze Weile aneinandergeschmiegt unter der schweren Wolldecke und genossen ihr Zusammensein, bis es schließlich Zeit wurde zu gehen. Sie sprachen kaum, während sie sich ankleideten. Sie beide quälte der Gedanke, dass nun wieder mehrere Tage, vielleicht sogar Wochen vergehen würden, bis sich die nächste Gelegenheit für ein heimliches Treffen bot.
Es war bereits Nacht, als sie die Herberge verließen, die Gesichter in den Mantelkapuzen verborgen. Nebel wallte vom Fluss herauf, kroch wie eine Geisterstreitmacht durch die Gassen und half ihnen, keine unerwünschten Blicke auf sich zu ziehen. Michel beschloss, nichts zu riskieren, und ließ Isabelle wie immer vorausgehen, bevor er ihr im Abstand von fünfzehn, zwanzig Schritten folgte. Niemand durfte sie zusammen sehen, doch er wollte sie auch nicht allein nach Hause gehen lassen, denn nachts trieben sich Betrunkene, Strauchdiebe und bissige Hunde in den Gassen herum. Er wartete vor dem Domportal, bis sie die Tür ihres Hauses aufgeschlossen hatte und hineingegangen war. Einmal mehr verfluchte er die ganze Heimlichkeit, die Gaspard ihnen aufzwang.
Müde schlurfte er zu seinem Anwesen und griff nach dem Schlüssel an seinem Gürtel. Als er nur noch drei, vier Schritte von seiner Tür entfernt war, lösten sich plötzlich zwei Schatten aus der Dunkelheit des Hoftores.
»Wer seid Ihr?«, fragte Michel.
Es waren abgerissene Gestalten, gekleidet in Leder und Lumpen, die Hände mit grobem Tuch umwickelt, die Gesichter mit Ruß geschwärzt – und sie zückten Dolche.
»Jean … Hilfe!«, brachte Michel hervor, ehe ihn die Männer packten und zu den Marktständen zerrten. Sie stanken nach Schweiß und Gerbsäure. Es gelang ihm, sich loszureißen und sein Messer zu ziehen, doch im gleichen Moment stieß ein Angreifer zu, und die Klinge fuhr über seinen Handrücken. Mit einem schmerzerfüllten Keuchen schwang Michel sein Messer, was die Männer zurückweichen ließ. Das verschaffte ihm die Zeit herumzuwirbeln und wegzulaufen, als sei der Teufel hinter ihm her. »Zu Hilfe!«, brüllte er noch einmal, bevor er in das schwarze Labyrinth aus Marktständen und Verkaufsbuden eintauchte.
Ein Gemüsekarren tauchte vor ihm auf. Ohne nachzudenken, kroch er darunter.
Die Männer huschten lautlos zwischen den Ständen umher. Michel atmete flach. Das kurze Handgemenge hatte genügt, ihm zu zeigen, dass er es mit zwei erfahrenen, abgebrühten Messerstechern zu tun hatte. Einem von ihnen wäre er sicher gewachsen, aber nicht allen beiden.
»Michel? Hast du gerufen? Wo bist du?«
Jean! Michel dankte dem Herrn, dass sein Bruder ihn gehört hatte. Er vergewisserte sich, dass die Angreifer nicht in seiner Nähe waren, bevor er rief: »Hier! Ich bin hier! Ich wurde angegriffen. Pass auf, sie haben Messer. Ruf den Nachtwächter!«
»Zu Hilfe!«, brüllte nun auch Jean, und er schien zu den Marktständen zu laufen – Michel sah zuckenden Fackelschein. Kurz darauf vernahm er das Trampeln hastiger Schritte: Die Angreifer ergriffen die Flucht und verschwanden in der Nacht.
Michel verließ sein Versteck und
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