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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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später nach Metz und an den Rhein. Beide Handelsreisen erwiesen sich als überaus lukrativ: Als der November kam, war die Truhe in Michels Schreibstube trotz der Abgaben, die er zu Michaeli hatte entrichten müssen, randvoll mit funkelnden Silbermünzen.
    In diesem Teil der Unterstadt war Isabelle noch nie gewesen.
    Wäschereien und Färberwerkstätten säumten den Kanal, der das Viertel vom Rest Varennes’ trennte. Ein Mühlrad durchpflügte das moosgrüne Wasser, daneben füllten junge Burschen ihre Eimer und reichten sie zu einem Wagen hinauf. Obwohl der Nieselregen ihre Kittel durchweichte, erfreuten sie sich bester Laune und sangen ein unanständiges Lied. Der Zugochse schlug mit dem Schwanz nach Fliegen und pinkelte in den Straßenschlamm. Der Urin dampfte in der Kälte.
    Isabelle trug einen weiten Umhang, der sie von Kopf bis Fuß verhüllte. Mit gesenktem Haupt eilte sie an der Mühle vorbei, bis sie zu einer Hütte neben der Brücke zur Judengasse kam. Das schäbige Holzgebäude stand zum Teil auf der Uferböschung, zum Teil auf einem Gewirr aus Stützen, und ragte abenteuerlich über den Kanal. An Schnüren unter dem Vordach trockneten Bärlapp, Wacholder und andere Heilkräuter.
    Das musste es sein.
    Die Tür stand einen Spalt offen. Isabelle klopfte an.
    »Nur herein«, rief eine Frauenstimme.
    Isabelle kniff die Lippen zusammen und betrat das höhlenartige Innere der Hütte. Es roch nach Rauch, Lavendel und Wollschweiß; von den Deckenbalken hingen Töpfe und ein eiserner Haken mit einer Wurstkette.
    Peirona, die Hebamme, saß an einem Tischchen, zerkleinerte eine Rübe und warf die Stücke in einen Eisenkessel über dem Feuer. Sie war eine kleine und pausbäckige Frau, mit braunen Korkenzieherlocken und einem zierlichen Körper, der in einem Kittel aus Lederflicken und Wollfetzen steckte.
    Isabelle schlug die Kapuze zurück. »Gott zum Gruße.«
    »Bist du nicht die Tochter vom alten Caron? Nur zu – setz dich.« Peirona warf die letzten Rübenwürfel in den Topf und wischte sich mit einem Tuch die Hände ab. »Was kann ich für dich tun? Hat dein Bruder es endlich geschafft, seiner Lutisse ein Kind zu machen?«
    »Eine Freundin schickt mich. Sie braucht deine Hilfe.«
    Vermutlich hatte Peirona diese Lüge schon tausendmal gehört, doch sie war taktvoll genug, es sie nicht spüren zu lassen. »Lass mich raten«, sagte sie, während sie sich von ihrem Schemel erhob. »Deine Freundin hat einen Liebsten und fürchtet, sie könnte von ihm schwanger werden.«
    Isabelle nickte.
    Die Hebamme griff nach dem Schürhaken und stocherte in den Flammen unter dem Kessel. Funken wallten auf, umschwirrten den Kessel wie winzige Irrlichter und verglühten unter den Deckenbalken. »Es ist meine Aufgabe, Kinder zur Welt zu bringen. Wenn deine Freundin kein Kind haben will, bist du hier falsch.«
    Peirona stand in dem Ruf, überaus diskret und verschwiegen zu sein. Isabelle beschloss, dass sie es riskieren konnte, offen zu ihr zu sein. »Wir haben gehört, dass du Mittel kennst, die eine Empfängnis verhüten können.«
    »Wer sagt so etwas?«
    »Die Leute in der Stadt.«
    »Die Leute«, wiederholte Peirona verächtlich. »Die Leute reden viel. Von morgens bis abends tratschen sie und wissen gar nicht, was sie damit anrichten. Du solltest nicht alles glauben, was man dir erzählt, Kindchen.«
    »Meine Freundin zahlt gut für deine Dienste.« Isabelle holte einen Beutel mit Silberpfennigen hervor und legte ihn auf den Tisch.
    »Wie viel ist das?«
    »Drei Sous.«
    »Das ist eine Menge Geld. Deine Freundin wäre besser dran, wenn sie ihren Liebsten einfach heiraten würde.«
    »Das kann sie nicht. Es ist … kompliziert.«
    »Es ist immer dasselbe mit euch jungen Leuten. Liebe. Leidenschaft. Das ist alles, was euch interessiert. Anschließend seid ihr das heulende Elend, und Peirona darf es richten.«
    Isabelle war nicht gekommen, um sich Vorhaltungen machen zu lassen. Sie stand auf. »Verzeih. Es war dumm von mir, dich zu belästigen. Leb wohl.«
    Die Kräuterfrau musterte sie. War das Mitleid in ihrem Blick? »Angenommen, ich hätte solch ein Mittel – es wäre eine schwere Sünde, es einzunehmen, zumindest in den Augen der Pfaffen. Ist das deiner Freundin klar?«
    »Sie weiß, worauf sie sich einlässt.«
    »Habe ich ihr Wort, dass sie niemandem erzählen wird, woher sie es hat?«
    »Du hast mein Wort.«
    Peironas Blick wurde forschender, stechender. »Warte hier«, sagte sie und verschwand im hinteren Teil ihrer

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