Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
eilte zu Jean.
»Dem heiligen Jacques sei Dank, du bist wohlauf!«
»Nicht ganz.« Er hob seine blutende Hand.
»Wie schlimm ist es?«, fragte sein Bruder.
»Nichts, das man nicht mit einem Verband und ein wenig Wundsalbe wieder hinbekommt.«
»Sind die Angreifer weg?«
»Ich denke schon.«
»Verdammtes Gesindel!«, knurrte Jean, während er ihn zum Haus führte. »Nicht einmal auf dem Domplatz ist man vor ihnen sicher.«
Inzwischen war auch der Nachtwächter mit seinem Spieß und seiner Laterne eingetroffen, und mehrere Kaufleute hatten ihre Häuser verlassen, alarmiert von den Hilferufen. Michel versicherte den besorgten Männern, es gehe ihm gut, und ging endlich mit Jean hinein.
Drinnen rieb Jean seine Wunde mit Salbe aus Spitzwegerichblättern und gekochten Bohnen ein, verband sie und sprach dabei einen kurzen Blutsegen, der, wie er erklärte, besser half als die ausgeklügelten Praktiken der gelehrtesten Ärzte.
»Danke«, murmelte Michel. »Du hast mir das Leben gerettet.«
»Was hast du überhaupt so spät draußen getrieben? Du weißt doch, dass das gefährlich ist.«
»Ich musste noch etwas mit einigen Schwurbrüdern besprechen.«
Jean nahm ihm die Lüge ab. »Mach das das nächste Mal bei Tageslicht.«
»Hör zu – das waren keine gewöhnlichen Halunken«, sagte Michel. »Sie waren nicht hinter meinem Geld her – sie wollten mich töten. Und sie verstanden ihr Handwerk.«
Jean zog einen Hocker zum Bett und nahm breitbeinig darauf Platz. »Du meinst, jemand hat sie auf dich angesetzt? Géroux?«
Michel nickte. »Das war ein Racheakt. Darauf würde ich mein gesamtes Geld verwetten.«
»Gut«, sagte sein Bruder grimmig. »Morgen früh gehen wir zu Martel und zeigen den Bastard an. Und danach meldest du es der Gilde, damit ihr ihn endlich ausschließen könnt.«
»Das bringt nichts. Ich kann nichts beweisen. Géroux wird alles abstreiten, und die beiden Messerstecher haben wahrscheinlich längst die Stadt verlassen. Davon abgesehen lacht Martel mich aus, wenn ich einen Schöffen anzeige.«
»Also unternimmst du gar nichts?«
»Ich würde Géroux liebend gern vor Gericht bringen, glaub mir«, meinte Michel. »Aber so, wie der Fall nun einmal liegt, sind mir die Hände gebunden.«
Jean stemmte die Hände auf die Oberschenkel und schaute ihn an. »Er wird es wieder versuchen.«
»Schon möglich.«
»Du brauchst Schutz. Wir holen dir einen Leibwächter. Besser zwei.«
»Ich weiß nicht, Jean …«
»Doch«, beharrte sein Bruder. »Dein Leben ist in Gefahr. Und ich kann nicht den ganzen Tag auf dich aufpassen.«
Michel graute vor dem Gedanken, dass ihn von früh bis spät Bewaffnete begleiteten. Wie sollte er sich unter diesen Umständen heimlich mit Isabelle treffen? Aber Jean hatte recht – seine Sicherheit ging jetzt vor. »An wen denkst du?«
»Ich rede morgen mit Yves und Gérard. Ich denke, sie wären geeignet. Sie suchen ohnehin gerade Arbeit.«
»Sind das die beiden Kerle, die beim Marsch auf die Gildehalle dabei waren?«
»Genau die.«
»Na schön. Frag sie.« Michel betrachtete den Verband um seine Hand und ballte sie zur Faust. »Komm. Gehen wir schlafen. Es ist schon spät.«
O BERLOTHRINGEN
R auchschwaden, schwarz und beißend wie Luzifers Atem, stiegen zu den Baumkronen empor, während das Feuer die feuchten Strohdächer verzehrte. Gerade warf Berengar seine Fackel auf die letzte Hütte, woraufhin auch diese in Flammen aufging. »Möge der Herr euch alle strafen!«, rief einer der Bauern. Er war der Einzige, der es wagte, die Stimme zu erheben. Die anderen standen nur da und begafften das Zerstörungswerk mit betretenen Gesichtern.
»Wein!«, verlangte Aristide de Guillory, ließ sich von einem Kriegsknecht die Ziegenblase geben und spritzte sich den mit Pfeffer gewürzten Tropfen in den Mund. Er schmeckte belebend – süß und gleichzeitig scharf, einfach köstlich. Wie sehr er den Krieg liebte! Seit vor einigen Wochen seine alte Fehde mit Nicolas de Bézenne neu aufgeflammt war, zog Aristide durch dessen Ländereien auf der Ostseite der Mosel und plünderte und brandschatzte, wo er nur konnte. So lebendig hatte er sich seit Monaten nicht gefühlt.
Und heute war ihm ein harter Schlag gegen seinen Feind geglückt. Der Bauernhof, der gerade bis auf die Grundmauern niederbrannte, war sehr reich gewesen. Hafer, Erbsen, Bohnen, Gerste, Weizen, Hirse, dazu jede Menge Milchkühe und Schweine – alles fort. Zerstampft, zertrampelt, abgeschlachtet. Davon würde sich de
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