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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Hütte.
    Isabelle war heiß, so nah beim Feuer. Sie zog ihren Umhang aus, legte ihn über den Schemel und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit ihrer ersten Liebesnacht sahen sich Michel und sie mehrmals in der Woche, wenn er in der Stadt war. Sie gebrauchten vertrauliche Zeichen, wenn sie sich sehen wollten – einen roten Schal, den sie aus ihrer Kammer hängte, einen dreiarmigen Kupferleuchter, den er ins Fenster seiner Schreibstube stellte –, und trafen sich stets an einem geheimen Ort, wo sie nicht fürchten mussten, gesehen zu werden. Natürlich wussten sie, dass es ein Spiel mit dem Feuer war, das sie da trieben. Wenn sie ein Kind von ihm empfing, wäre ihr Ansehen in der Stadt zerstört, und Gaspard würde schreckliche Rache an Michel nehmen. Also hatte sie beschlossen, Vorsorge zu treffen.
    Peirona trat aus den Schatten hinter dem Herdfeuer und stellte ein Fläschchen auf den Tisch. »Das ist Saft von der Trauerweide. Weiß deine Freundin, wie sie ihn zu gebrauchen hat?«
    »Sag es mir lieber.«
    »Sie soll sich damit einreiben, wenn sie ihren Liebsten trifft.«
    »Wo einreiben?«
    »Ach, Kindchen. Wohl kaum hinter den Ohren. Muss ich noch deutlicher werden?«
    Isabelle schämte sich für ihre Naivität. »Ich hab schon begriffen.«
    »Sie soll nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig nehmen. Aber das kriegt sie schon heraus.«
    »Wie zuverlässig ist es?«
    »Es erfüllt seinen Zweck. Sie soll aber keine Wunder erwarten.«
    »Hab Dank. Du hast ihr sehr geholfen.« Isabelle zog ihren Umhang an, schob das Fläschchen hinter ihren Gürtel und ging zur Tür.
    »Denk daran – du warst nie hier«, gab ihr Peirona zum Abschied mit auf den Weg.
    Als Isabelle hinaus in den Nieselregen trat, schlugen die Glocken des Doms, wie um sie eindringlich an ihre neuerliche Sünde zu erinnern.

November 1187

    V ARENNES -S AINT -J ACQUES
    E in feuchter Wind pfiff durch die Gassen, als Michel bei Einbruch der Dunkelheit die Grande Rue hinaufeilte. Es war ein ungemütlicher Abend, an dem niemand das Haus verließ, wenn er nicht musste. Die klamme Kälte drang ihm bis auf die Haut, obwohl er sich seinen Mantel eng um die Schultern und die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte.
    Auf dem Platz vor dem Nordtor wandte er sich nach links und ging zu einer Herberge, einem wuchtigen Gebäude mit Grundmauern aus grob behauenen grauen Steinen. Auf dem Erdgeschoss saßen zwei Stockwerke aus Holz, durchsetzt von unregelmäßig angeordneten Fensterschlitzen und gekrönt von einem steilen Schieferdach. Rauch quoll aus dem Schornstein und wurde vom Wind mal hierhin, mal dorthin gepeitscht, gleich einem flatternden Kriegsbanner.
    Verstohlen überzeugte sich Michel davon, dass niemand ihn beobachtete, ehe er die Herberge betrat. Als er die Tür öffnete, schlug ihm warme, verrauchte Luft entgegen, gesättigt mit mannigfaltigen Gerüchen: nach Bier, gewürztem Wein, Erbsenbrei, überreifem Käse, klammen Mänteln, ungewaschenen Leibern. Im Kamin knisterte ein Feuer, das den erschöpften Reisenden an diesem Novemberabend wie eine Verheißung paradiesischer Freuden erscheinen musste.
    Michel ging zum Wirt, der hinter einem Tresen aus leeren Bierfässern stand und einen Krug abtrocknete. Als Michel ihm drei Deniers zuschob, erkannte der Mann ihn.
    »Die Treppe bis ganz nach oben, wie immer«, murmelte er.
    »Kann ich mich noch auf deine Verschwiegenheit verlassen?«
    »Mein Wort darauf, Herr.« Dabei nahm der Wirt die Münzen in die Hand und ließ sie in der hohlen Faust klimpern, bevor sie in seiner Schatulle verschwanden. Michel konnte sich denken, was die Geste bedeutete: Solange das hier fließt, erfährt niemand etwas.
    Er stieg die Treppe bis zum Dachgeschoss hinauf, wo sich zwei kleine Kammern befanden. Normalerweise vermietete der Wirt sie an Reisende, die nicht mit den anderen Wanderern und Pilgern in den großen, wanzenverseuchten Schlafräumen nächtigen wollten. Michel öffnete die linke der beiden Türen und schlüpfte hinein.
    Isabelle erwartete ihn bereits. Sie ließ ihm kaum Zeit, den Überwurf abzulegen, sondern küsste ihn begierig und schob ihn zum Bett. Mit geübten Griffen zog sie ihm Gürtel, Gewand und Bruche aus, und er schaffte es gerade noch, die Schuhe abzustreifen, bevor sie ihn auf die Felldecken stieß. Sie hob ihre Röcke und setzte sich rittlings auf ihn, und er drang mit einem ungeduldigen Stoß in sie ein.
    Isabelle schloss die Augen, während sich ihr Körper auf und ab bewegte, das Haar fiel ihr über

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