Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Decke?«, fragte Ulman. »Ich hole mir hier drin noch den Tod.«
»Ich werde sehen, was ich tun kann.«
Ulman kannte Poupart seit mehreren Jahren. Der Weinhändler war ein gottesfürchtiger Mann und braver Bürger gewesen, ehe er der Gilde beigetreten war. Unbegreiflich, dass ein guter Christ wie er bei solch einem Frevel mitmachte. War ihm nicht klar gewesen, worauf er sich eingelassen hatte? Ja. So musste es gewesen sein. Gestern Abend hatte Ulman Pouparts Zweifel gespürt, seine wachsende Furcht. All das ging ihm zu weit, doch er wusste nicht, was er dagegen tun sollte. Er ist das schwächste Glied in der Kette. Wenn Ulman dieses Martyrium lebend und in Würde überstehen wollte, musste er hier ansetzen.
»Wartet«, sagte er, als Poupart gehen wollte. »Leistet mir ein wenig Gesellschaft.«
Der Weinhändler spähte in den Hauptraum, wo Caron gerade seinen Knechten Anweisungen gab. »Ich muss jetzt zurück zu den anderen.«
»Nur ein paar Minuten. Was ist schon dabei?«
Noch einmal schielte Poupart zu Caron. Dann zog er die Tür zu, bis sie nur noch einen Spalt weit offen war.
»Danke, mein Sohn«, sagte Ulman nicht unfreundlich. »Das rechne ich dir hoch an.«
»Ihr solltet tun, was Caron von Euch verlangt«, murmelte Poupart nach einer Weile des Schweigens.
»Dieses törichte Dokument unterzeichnen? Nein. Das wäre falsch, und das weißt du. Was Caron von mir verlangt, ist Gotteslästerung, die euer aller Seelen gefährdet.«
»Es ist das Richtige für die Stadt«, entgegnete Poupart halbherzig.
»Wie kann etwas richtig sein, wenn es Gottes Gesetz widerspricht?«
Kaum merklich schluckte der Weinhändler. »Das wird sich zeigen. Jetzt gibt es jedenfalls kein Zurück mehr.«
Ulman ließ sich Zeit mit seiner Antwort. »Vielleicht doch«, sagte er schließlich leise, aber laut genug, dass Poupart es hören konnte. »Vielleicht doch.«
»Sie haben anscheinend schon gestern Nacht gemerkt, dass der Bischof verschwunden ist«, berichtete Stephan, als er von seinem Streifzug durch die Unterstadt zurückkam. »Sie suchen ihn überall. Die ganze Stadt ist voll von Ministerialen und Martels Männern.«
Gaspard nickte. Damit hatte er gerechnet. Wohlweislich hatten seine Gefährten ihre Familien schon gestern aufs Land gebracht, damit die Ministerialen ihnen nichts antun konnten, falls sie dahinterkämen, wer hinter Ulmans Entführung steckte, und das würden sie früher oder später. »Hier sind wir sicher, also verliert nicht die Nerven«, wandte er sich an die umstehenden Kaufleute und Knechte. »Keiner von euch verlässt den Schuppen, habt ihr verstanden?«
Allgemeines Nicken. Gaspard rieb sich die brennenden Augen. Es war eine lange Nacht gewesen, und Stephan hatte ihn viel zu früh geweckt. »Wo ist Poupart?«
»Immer noch beim Bischof«, antwortete Raoul.
»Was macht er so lange da drin?« Gaspard schritt zu der Kammer und riss die angelehnte Tür auf. Poupart lehnte an einem Weinfass und lauschte Ulman, der abrupt verstummte. »Was ist hier los?«
»Gar nichts«, sagte Poupart. »Ich habe nur mit ihm geredet. Ihn versucht zu überzeugen, dass er besser tut, was wir verlangen.«
»Wir haben doch vereinbart, dass nur ich mit ihm rede.«
Widerwillig verließ Poupart die Kammer und ging ohne ein weiteres Wort zu den anderen. Gaspard schloss die Tür und schob den Riegel vor.
Der Kerl gefiel ihm nicht. Er gefiel ihm ganz und gar nicht.
»Der Letzte, der Ulman gesehen hat, ist der Abt von Notre-Dame-des-Champs«, sagte Catherine. »Was danach geschehen ist, weiß niemand. Es ist, als hätte ihn der Erdboden verschluckt. Martel glaubt, jemand von der Gilde hat ihn entführt. Seine Männer durchsuchen gerade jedes Haus. Bei Charles und Isoré waren sie schon. Wahrscheinlich tauchen sie bald auch hier auf.«
Michels gesunde Hand krampfte sich in die Bettdecke. Für ihn gab es nicht den geringsten Zweifel, was sich in der vergangenen Nacht zugetragen hatte: In seinem Hass hatte Gaspard sein wahnwitziges Vorhaben zu guter Letzt doch noch in die Tat umgesetzt und Ulman verschleppt. Du Narr. Du verdammter Narr.
»Jedenfalls ist es wohl am besten, wir verhalten uns ruhig, bis wir mehr wissen«, sagte Catherine.
Michel blickte zum Fenster. Das erste Licht des Tages kroch über die Dächer, und irgendwo erklangen ferne Rufe. Er kämpfte sich zur Bettkante und langte nach seiner Krücke.
»Wo wollt Ihr hin?«, fragte die Kauffrau.
»Ich muss etwas erledigen.«
»Was denn?«
Er gab keine Antwort. Die
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