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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Kauffrau wandte sich ab, als er die Decke zur Seite schlug und nackt, wie er war, aufstand. »Ich halte das für keine gute Idee. Ihr seid noch viel zu schwach.«
    »Louis, hilf mir«, befahl er.
    »Frau Partenay hat recht, Herr«, sagte der Knecht. »Denkt an Euren Zustand. Ihr gefährdet Eure Genesung.«
    »Jetzt mach schon, verdammt!«
    Louis humpelte zu ihm und ging ihm beim Anziehen zur Hand. Es war ein langwieriger, umständlicher Vorgang, der Michel einiges an Kraft kostete. Reiß dich zusammen!
    »Wisst Ihr etwa, wo der Bischof ist?«, fragte Catherine.
    »Vielleicht.«
    »Wir begleiten Euch.«
    »Nein. Ich gehe allein.«
    Er hinkte, gefolgt von Catherine und Louis, zur Tür und die Treppe hinab. Als er das Haus verließ, umfauchte ihn eisiger Wind. Gestern Abend waren von Nordosten schwere, schneebeladene Wolken herangezogen, und die ersten weißen Flocken wirbelten durch die Luft. Zwei Stadtbüttel stemmten sich gegen die Frostböen und eilten mit geschulterten Piken die Rue de l’Épicier hinauf. Ängstliche Gesichter spähten aus Fenstern und Türen.
    Michels Wunde begann wieder zu schmerzen, und er kämpfte gegen das Schwindelgefühl an. Blinzelnd blickte er zum Domplatz, auf dem Gestalten mit Fackeln standen. Der Flammenschein spiegelte sich auf Helmen und Lanzenspitzen.
    Wo würde ich mich verstecken, wenn ich an ihrer Stelle wäre?
    Jedenfalls nicht in seinem Haus, so viel stand fest. Wenn sie Bischof Ulman nicht längst aus der Stadt gebracht hatten, hielten sie ihn vermutlich in einem Lagerkeller gefangen. Wie viele alteingesessene Kaufleute besaßen Gaspard und seine Freunde mehrere Schuppen und Warenlager, verteilt über ganz Varennes. Michel kannte einige davon, aber bei Weitem nicht alle. Wer gelegentlich ein Geschäft abwickeln wollte, von dem die Obrigkeit nichts erfahren durfte, tat gut daran, sich hier und da einen geheimen Schlupfwinkel einzurichten, von dem weder Gilde noch Schöffenkollegium wussten.
    »Bitte geht wieder ins Haus«, sagte Catherine. »Ihr bringt Euch noch um.«
    Ohne sie zu beachten, setzte Michel sich humpelnd in Bewegung. »Ich habe gesagt, ich gehe allein«, fuhr er Louis an, der ihm folgen wollte.
    Er durchforstete sein Gedächtnis. Hatte Gaspard ihm irgendwann einmal von einem verborgenen Lagerhaus erzählt? Wenn ihm nur das Denken nicht so schwerfallen würde. Blitze irrlichterten vor seinen Augen, und der Wind ließ sein Gesicht und seine Finger taub werden. Er erinnerte sich, dass Gaspard und er als Kinder manchmal in einem Schuppen in der Unterstadt gespielt hatten, obwohl Gaspards Vater ihnen verboten hatte, dorthin zu gehen. Das Gebäude war unterkellert und wäre ein gutes Versteck für mehrere Männer. In den unterirdischen Gewölberäumen, vor denen sie sich einst so geängstigt hatten, konnte man Gefangene festhalten, ohne fürchten zu müssen, dass sie durch lautes Rufen auf sich aufmerksam machten. Michel wusste nicht, ob Gaspard das Lagerhaus noch besaß. Aber einen Versuch war es wert.
    Er biss die Zähne zusammen, stemmte sich gegen den eisigen Wind und humpelte in Richtung Unterstadt.
    »Ich unterschreibe dieses Pamphlet nicht«, sagte Bischof Ulman. »Und wenn Ihr mich noch hundertmal dazu auffordert.«
    »Ihr zieht es also vor, bis in alle Ewigkeit in diesem Loch zu sitzen?«, erwiderte Gaspard.
    »Kaum bis in alle Ewigkeit.« Ulman lächelte dünn. »Spätestens übermorgen bin ich frei. Meine Gefolgsleute suchen gewiss schon den ganzen Tag nach mir. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sie mich finden – und dann gnade Euch Gott, Caron.«
    »Hier finden sie Euch niemals.«
    »Ihr unterschätzt Tancrède Martel. Er mag ein dröger Amtsmann sein, aber er hat die Nase eines Spürhundes. Und Ausdauer wie ein Ackergaul. Er wird nicht eher ruhen, als bis er jedes Haus der Stadt auf den Kopf gestellt hat.«
    Gaspard zog seinen Dolch und hielt ihn Ulman mit der flachen Seite unter das Kinn. »Ich könnte Euch wehtun. Ihr seid ein Mann, der Behaglichkeit und das angenehme Leben schätzt – ich bezweifle, dass Ihr Schmerzen lange widerstehen würdet. Gewiss würdet Ihr bald darum betteln, unterschreiben zu dürfen, nur damit sie aufhören.«
    Der Bischof hielt seinem Blick stand. »Das wagt Ihr nicht. Nicht einmal Ihr seid so skrupellos.«
    Rasch zog Gaspard die Klinge zurück und nahm in Kauf, dass er Ulman dabei leicht die Haut aufritzte. »Darauf würde ich mich nicht verlassen, Ulman. Nun, ganz wie Ihr wollt. Dann lasse ich Euch jetzt wieder allein

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