Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
dem Dorf waren nicht viel gesprächiger als Thomasîn. Stumm leerten sie die Wein- und Bierfässer. Der Einzige, der redete, war Onkel Eberold. Stunde um Stunde prahlte er mit seinen Heldentaten auf den Märkten von Köln und Gent und hämmerte mit der Faust auf den Tisch, wenn er von seinen Siegen über seine Rivalen berichtete. Sein Lachen klang wie das Brüllen einer anstürmenden Horde, es dröhnte zu den Dachbalken hinauf, und dass niemand sonst lachte, störte ihn nicht im Geringsten.
Tante Galienne und Isabelles Mutter saßen stocksteif da, zupften mit spitzen Fingern etwas Fleisch und Brot von den Platten und machten keinen Hehl aus ihrer Verachtung für die Dörfler in ihren graubraunen Kitteln. Einzig Lutisse bemühte sich um ein Gespräch mit den Bäuerinnen. Allerdings vereitelte Flori ihre Bemühungen: Das Mädchen schrie ununterbrochen und wollte sich nicht beruhigen. Irgendwann nahm Isabelle das weinende Kind auf den Arm und wiegte es sanft. Beinahe beneidete sie ihre Nichte – wie gern hätte auch sie ihre Wut und Verzweiflung hinausgeschrien.
Thomasîn sprach den ganzen Abend kein Wort mit ihr. Stur blickte er geradeaus und trank gelegentlich aus seinem Becher, während Eberold ihm ins Ohr brüllte und grölend mit der Faust auf die Schulter hieb. Irgendwann ergriff er ihre Hand und murmelte: »Komm.«
Die Bauern und Bediensteten glotzten ihnen nach, während sie den Raum verließen. Eberold merkte als Letzter, dass sie gingen. Mit hocherhobenem Krug und glühendem Gesicht rief er:
»Wurde auch verdammt noch mal Zeit! Ich dachte schon, das wird heute nichts mehr mit euch. Nimm sie ordentlich ran, Thomasîn! Zeig ihr, was wir Männer vom Rhein in der Hose haben.«
»Setzt Euch«, sagte Thomasîn, als sie die Schlafkammer betraten. Während sie auf der Bettstatt Platz nahm, ließ er sich in einem knarrenden Stuhl nieder, griff nach einem Becher, füllte ihn mit Wein und trank schweigend.
Es war stockdunkel in der Kammer. Die Nacht presste sich gegen das Pergament vor dem einzigen Fenster, der Wind heulte um die Mauern, und drüben lachte Onkel Eberold.
Als Thomasîn seinen Becher geleert hatte, stand er auf und zog sein Gewand und seine Bruche aus. Nur mit seinem Hemd bekleidet stand er vor ihr.
»Legt Euch hin.«
Er schlug ihren Rock hoch, zog ihr die Unterröcke aus und glotzte auf ihre Scham. Sein Glied hing schlaff herab. Genau wie bei Chastain. Er half mit der Hand nach, und endlich regte es sich. Mit seinen schwieligen Händen öffnete er ihre Schenkel.
»Vorsicht«, sagte sie. »Das Kind.«
Er war nicht so grob, wie sie erwartet hatte, aber auch nicht sonderlich sanft. Mechanisch stieß er in sie hinein und biss dabei die Zähne zusammen, doch über seine Lippen kam kein Laut. Es erschien Isabelle wie eine Ewigkeit, bis er endlich zum Höhepunkt kam. Mit einem leisen Keuchen ergoss er sich in sie und zog sich augenblicklich aus ihr zurück.
Isabelle blieb liegen, obwohl sie fror und sich nach einer Decke sehnte. Sie fühlte sich wund und beschmutzt.
Thomasîn hob sein Gewand auf und zog es an.
»Wohin geht Ihr?«, fragte sie, als er zur Tür schritt.
Er blieb stehen und schaute sie flüchtig an, ehe er die Tür öffnete und in der Dunkelheit seines Hauses verschwand.
Eberolds Familie, Isabelles Mutter, Lutisse und Flori reisten schon am nächsten Morgen ab. Die anderen Gäste waren bereits in der Nacht gegangen, abgesehen von zwei Bauern, die zu viel getrunken hatten. Nachdem sie ihren Rausch ausgeschlafen hatten, warf Thomasîn sie hinaus und räumte mit seinen Knechten und Mägden die Überreste des Festes weg. Zwei Stunden später sah das Haus so aus, als hätte hier nie eine Hochzeit stattgefunden.
Thomasîn schien nicht recht zu wissen, was er nun mit ihr anfangen solle. Gegen Mittag zeigte er ihr die verschiedenen Gebäude des Hofs und die Ställe mit seinem Vieh. Als kurz darauf die Sonne herauskam und es etwas wärmer wurde, gingen sie über seine Äcker und Wiesen. Da er kein Leibeigener war und weder einem adligen Fronherrn noch der Kirche diente, gehörte ihm das Land, und er besaß alle Rechte daran. Er war ein Freisasse und niemandem außer dem Kaiser zu Treue und Gefolgschaft verpflichtet.
Eberold hatte nicht übertrieben – Thomasîn war tatsächlich wohlhabend. Sein Gut reichte vom Hof bis zum Rhein im Osten und dem Bauerndorf im Westen und umfasste mehrere Viehweiden, einen Bach, einen kleinen Fischteich und fruchtbare Felder, auf denen er Hafer, Erbsen und
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