Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
mit Eurer Angst.«
Er rollte das Dokument zusammen, verließ den Kellerraum und verriegelte die Tür.
»Und?«, fragte Stephan, der auf einer Kiste saß und sich die Zeit vertrieb, indem er mit Raoul und Chastain würfelte.
Gaspard schüttelte den Kopf. »Wir müssen Geduld haben. Irgendwann macht ihn die Dunkelheit weich.«
»Fragt sich nur, wie viel Zeit wir noch haben«, meinte Raoul und fuhr sich geistesabwesend mit den Fingerkuppen über die alten Brandnarben an seiner Wange. »Irgendwann finden sie uns.«
Gaspard wollte ihn beruhigen, doch in diesem Moment kam Ernaut die Treppe heruntergelaufen.
»De Fleury schleicht oben rum«, sagte er.
»Bist du sicher?«, fragte Gaspard.
»Er ruft nach dir.«
Stephan und die anderen waren aufgesprungen. »Wie hat er uns gefunden?«
»Woher soll ich das wissen?« Gaspard zerdrückte die Pergamentrolle in seiner Hand, während er krampfhaft nachdachte. Er durfte nicht riskieren, dass Michel sie an Martel verriet oder anderweitig das Vorhaben gefährdete. »Lass ihn rein.«
»Bist du sicher?«, fragte Ernaut.
»Ja. Jetzt mach schon, bevor er mit seinem Gebrüll noch die Büttel anlockt.«
Stufe für Stufe kämpfte sich Michel die Treppe hinab und trat in den Kellerraum, in dem glimmende Kienspäne für trübes Licht sorgten. Er war so schwach, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Alles verschwamm vor seinen Augen, doch er konnte erkennen, dass Pérouse und die anderen hier unten waren und ihn feindselig anstarrten.
»Dass du es wagst, mir unter die Augen zu treten«, sagte Gaspard.
»Wir waren beim Ihr, schon vergessen?« Michel brachte ein Lächeln zustande, setzte sich ächzend auf eine Kiste und legte die Krücke quer über seine Oberschenkel.
»Was willst du?«
»Wo ist Bischof Ulman?«
»Das geht dich einen Dreck an.«
»Ihr müsst ihn freilassen. Noch ist es vielleicht nicht zu spät.«
»Du kommst hierher und gibst mir Ratschläge?« Gaspard packte ihn am Mantelkragen. »Nach allem, was du mir angetan hast?«
»Ihr könnt nicht gewinnen. Ganz Varennes ist voll von Soldaten. Inzwischen suchen sie auch in der Unterstadt nach euch. Wenn Martel und Géroux euch finden, machen sie kurzen Prozess.«
»Sie werden nichts dergleichen tun. Weil sie nämlich ihren geliebten Bischof lebendig wiedersehen wollen.« Gaspard stieß ihn von sich.
»Und dann?«, fragte Michel, während er gegen die Übelkeit ankämpfte. »Angenommen, ihr schafft es, Ulman zu Zugeständnissen zu zwingen – was glaubst du, was dann geschieht? Er wird zum Erzbischof laufen, der euch mit einem Handstreich zerschmettert.«
»Warum höre ich mir das überhaupt an?«, meinte Gaspard zu niemand Bestimmtem.
»Wir können ihn nicht gehen lassen«, sagte Stephan Pérouse. »Er wird uns verraten.«
»Ich verrate euch nicht«, sagte Michel. »Ich habe euch damals mein Wort gegeben, und daran halte ich mich.«
Gaspard kniff die Lippen zusammen, und sein Kieferknochen mahlte. »Wir sperren ihn zum Bischof.« Er und Pérouse packten Michel an den Armen. Die Krücke fiel zu Boden, als sie ihn auf die Füße zerrten und zu einer Tür im rückwärtigen Teil des Kellers führten. Michel war so schwach, dass er ihnen nichts entgegenzusetzen hatte.
»Gaspard, bitte, hör mir zu. Was ihr tut, ist Wahnsinn, und du weißt es.«
Sie stießen ihn in die Kammer und schlossen die Tür. Michel hielt sich an einem Fass fest und ließ sich langsam zu Boden gleiten. Alles schien sich zu drehen.
»Wenn Ihr wirklich geglaubt habt, Ihr könntet Caron mit guten Worten zur Vernunft bringen, seid Ihr ein Narr«, sagte Bischof Ulman in der Dunkelheit.
»Verzeiht, dass ich versucht habe, Euch zu helfen – wie töricht von mir«, murmelte Michel, während er sich auf dem Boden ausstreckte.
»Wenn Ihr wusstet, wo sie mich hingebracht haben – wieso seid Ihr nicht einfach zu Martel gegangen?«
Michel schloss die Augen, doch das verschlimmerte den Schwindel nur, also öffnete er sie wieder. »Ich wollte Gaspard die Möglichkeit geben, seinen Fehler rückgängig zu machen«, erklärte er langsam und stockend. »Außerdem habe ich nicht eben das beste Verhältnis zu Euren Ministerialen, wenn Ihr Euch erinnert.« Er versuchte gleichmäßig zu atmen. Inzwischen hatten sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und er konnte Bischof Ulman erkennen, der in einer Ecke kauerte, Eisenschellen an Händen und Füßen. Draußen stritt Gaspard mit seinen Freunden.
»Braucht Ihr Hilfe?«, fragte Ulman nach
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