Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
heute Morgen auf dem Grundstück. Denk daran, was wir besprochen haben. Hundert Lira ist das Maximum, achtzig das Ziel. Allerdings würde es mich überraschen, wenn Spini weniger als hundertzwanzig verlangte. Du musst ihn herunterhandeln, also lass ihn auf keinen Fall spüren, wie gern ich das Grundstück haben möchte. Er ist ein unangenehmer Bursche und ein verbissener Sturkopf dazu, aber du schaffst das schon.«
Messere Agostis Reichtum gründete auf dem Fernhandel mit Gewürzen und Tuch. Da er allmählich zu alt wurde für das mühsame und gefährliche Leben eines fahrenden Kaufmannes, investierte er sein Vermögen zunehmend in Grundbesitz. Das Anwesen, von dem er sprach, wollte er abreißen lassen, um an seiner Stelle Mietquartiere für Handwerker, Arbeiter und Tagelöhner zu errichten. Der Pachtzins für neue Unterkünfte innerhalb der Stadtmauern würde ihm gut und gerne zwanzig Lira im Jahr einbringen.
»Wenn du wieder da bist, nimm dir die Bücher vor«, fuhr der Messere fort. »Die Aufzeichnungen der vergangenen Wochen müssen endlich geordnet werden – sie sind ein einziges Durcheinander. Ich weiß, es ist eine grässliche Arbeit, aber du bist der Einzige, den ich guten Gewissens damit betrauen kann. Wenn ich Fulvio an die Bücher heranlasse, kann ich sie genauso gut ins Feuer werfen.«
»Keine Sorge«, erwiderte Michel. »Ich habe sie schon gestern Abend in Ordnung gebracht.«
»Gestern Abend? Aber du warst doch bis Sonnenuntergang auf dem Markt. Schläfst du auch einmal?«
»So wenig wie möglich.« Michel lächelte. »Schlaf ist etwas für Säuglinge und Kranke.«
Sie verzehrten in Ruhe ihr Morgenbrot und unterhielten sich über künftige Geschäfte und die politische Lage in der Stadt. Seit Michel fattore war, Messere Agostis Bevollmächtigter und seine rechte Hand, frühstückten sie jeden Morgen zusammen. Die Gespräche, die sie dabei führten, genoss er sehr, nicht nur wegen Agostis Klugheit und Witz. Der Messere war ihm in den vergangenen drei Jahren ein väterlicher Freund geworden und ließ ihn stets an seiner Erfahrung teilhaben. Was Michel auf diese Weise über die Arbeit eines Kaufmanns lernte, ließ sich nicht mit Gold aufwiegen. Aber genau das hatte sein Vater schließlich beabsichtigt, als er ihn nach Mailand schickte.
Michels Vater war schon lange nicht mehr Knecht bei Herrn Caron. Nach ihrer abenteuerlichen Flucht aus Fleury hatte er sich mit Fleiß und Klugheit zum Handelsgehilfen hochgearbeitet, lesen und schreiben gelernt und schließlich ein eigenes Geschäft gegründet, das er seitdem erfolgreich betrieb. Michel begleitete ihn auf seinen Handelsreisen, seit er zwölf war, denn sein Vater wollte, dass er sich schon früh kaufmännische Kenntnisse aneignete, damit er eines Tages in seine Fußstapfen treten und das Familiengeschäft übernehmen konnte.
Bei einer Reise zur Messe in Troyes im Jahre des Herrn 1184 hatten sie Messere Agosti kennengelernt. Wie sein Vater und der steinreiche lombardische Fernhändler Freunde geworden waren, obwohl sie verschiedener nicht hätten sein können, wusste sich Michel nicht recht zu erklären. Offenbar hatte jeder der beiden Männer im anderen eine verwandte Seele erkannt, und während der Messe saßen sie jeden Abend beisammen, tranken, lachten und erzählten Geschichten. Als der Abschied nahte, kamen sie überein, dass Michel mit Agosti für vier Jahre nach Mailand gehen solle, um dort seine Ausbildung zum Kaufmann abzuschließen und zu verfeinern.
Damals war Michel alles andere als glücklich über diese Entscheidung gewesen, hatte es ihm doch zutiefst widerstrebt, Varennes zu verlassen, das ihm zur geliebten Heimat geworden war. Aber schon wenige Wochen nach seiner Ankunft in Mailand war ihm klar geworden, dass sein Vater richtig gehandelt hatte. Die lombardischen Kaufleute galten zu Recht als die besten der Welt; sie besaßen präzise Kenntnisse über sämtliche Märkte der Christenheit, hatten Zugang zu den kostbarsten Waren und verkehrten mit Fürsten und Kirchenherren. Mailand war der ideale Ort für einen angehenden Kaufmann, seinen senno zu schärfen und Erfahrung zu sammeln. Unter Messere Agostis Anleitung studierte Michel die fortschrittlichen Methoden der Lombarden, lernte die wichtigsten Handelsplätze Italiens kennen und schulte sein Gespür für die Risiken eines Handels. Bei alldem erwies er sich als begabter Schüler; obendrein bekam er für seine Arbeit in Agostis Geschäft einen großzügigen Lohn, sodass er Woche für
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