Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
werden, ganz, wie Salvestro es wünscht. Der Rat wird ihm keine Schwierigkeiten machen.«
»Habt Ihr Dokumente, die das belegen?«
»Natürlich. Haltet Ihr mich für einen Anfänger?«
Michel ließ sich von Spinis ablehnender Haltung nicht einschüchtern. Dass manch einer ihn für seine Herkunft verachtete, beeindruckte ihn schon lange nicht mehr. Aufmerksam schaute er sich um. Es würde beträchtliche Kosten verursachen, die Bäume und Sträucher samt Wurzeln entfernen zu lassen. Ein guter Ansatz für die Verhandlungen.
»Wieso ist das Haus in einem solch schlechten Zustand?«, fragte er, während sie zum Gebäude zurückgingen.
»Ich habe mir vor zwei Jahren einen Palazzo an der Porta Romana gekauft. Danach hatte ich keine Verwendung mehr für das Haus und ließ es leerstehen. Eigentlich wollte ich es Anfang des Jahres instand setzen lassen, damit ich es meinem Sohn schenken kann, aber da er kurz entschlossen ins Heilige Land gezogen ist, hat sich das erübrigt.«
Da war ein Zögern in Spinis Stimme, ein Hauch von Unsicherheit, der Michel aufhorchen ließ. Er lügt. Vermutlich hatte er das Haus nicht erneuert, weil ihm das Geld ausgegangen war. Während sie wieder die Treppe zur Terrasse hinaufstiegen, sah Michel sich noch einmal unauffällig Spinis Kleidung an. Auf den ersten Blick wirkte sie fein und kostbar, doch wenn man genauer hinschaute, entdeckte man hier und da abgewetzte Stellen und andere Spuren von Verschleiß. Die Zeichen mehrten sich, dass die Gerüchte von seiner geschäftlichen Notlage der Wahrheit entsprachen.
»Sollen wir hineingehen?«, fragte der Kaufmann.
»Nicht nötig.« Es spielte keine Rolle, wie das Haus beschaffen war. Messere Agosti würde es ohnehin abreißen lassen. »Wir können gleich über den Preis sprechen. Was sind Eure Vorstellungen?«
Spini goss sich noch etwas Wein ein, ohne Michel welchen anzubieten. »Hundertvierzig Lira, zu zahlen auf einen Schlag. Ich halte nichts von monatlichen Raten und dergleichen.«
Diese Forderung war schlicht eine Unverschämtheit. Für eine solche Summe bekam man in der Nähe des Doms ein neues mehrstöckiges Stadthaus mit Stallungen und eigenem Brunnen. Glaubte Spini, er könne ihn über den Tisch ziehen, weil er so jung war?
Michel lächelte dünn. »Gewiss ist das ein Scherz. Hundertvierzig Lira für diese Ruine? Ich bitte Euch! Messere Agosti ist bereit, höchstens die Hälfte zu zahlen. Und das wäre immer noch über alle Maßen großzügig, ja geradezu barmherzig, wenn man sich diese Wildnis anschaut.«
Spinis Miene verfinsterte sich, und er umklammerte seinen Kelch, als wolle er ihn zerdrücken. »Hat Agosti Euch nicht beigebracht, was ein ehrbares Geschäft ist? Oder hat er sich im Alter auf Diebstahl, Betrug und Raub verlegt?«
»Siebzig«, erklärte Michel ruhig. »Das ist sein Angebot.«
Spinis Antwort kam ein wenig zu schnell. »Hundertdreißig. Und ich werde darauf verzichten, Euch für diese Frechheit der Gilde zu melden.«
»Grundstückspreise kümmern die Gilde nicht, das wisst Ihr genau. Aber vielleicht sollte ich dem Bischof von Eurem Geschäftsgebaren erzählen. Korrigiert mich, wenn ich mich irre, aber werden Wucherer nicht nackt aus der Stadt gejagt?«
Spinis Blick war kalt und voller Zorn. Doch es lag auch ein neuer Ausdruck darin: Achtung. Er hatte gedacht, er könnte Michel mit einem Bissen verspeisen, und nun lieferte ihm dieser Jungspund ein hartes Gefecht.
»Nun gut. Ich bin bereit, Euch entgegenzukommen«, fuhr Michel fort. »Fünfundsiebzig. Wenngleich das bedeutet, Messere Agostis Vertrauen aufs Äußerste zu strapazieren.«
»Wenn das alles ist, was Agosti Euch an Vertrauen entgegenbringt, müsst Ihr wahrlich ein erbärmlicher fattore sein. Hundertzwanzig!«
Die Verhandlungen wurden erbittert geführt. Eine halbe Stunde lang flogen Angebote und Gegenangebote hin und her, zerschellten am eisernen Widerstand des Gegners oder rangen diesem höchstens ein paar Fußbreit Boden ab. Beide feilschten sie nach allen Regeln der Kunst, verhöhnten ihren Kontrahenten, stellten ihm Fallen und drohten ihm mal subtil, mal gänzlich unverhohlen.
»Hundertfünf!«, sagte Spini schließlich und knallte seinen Kelch auf den Tisch. »Und das ist mein letztes Wort, so wahr ich hier stehe.«
»Völlig inakzeptabel«, erwiderte Michel. »Fünfundachtzig, und keinen Denaro mehr.«
Sie standen da und starrten sich schweigend an.
»Messere Spini?«, rief einer der Diener und kam den Pfad vom Hoftor herauf. »Eben ist ein
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