Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
dass Ihr Euch mächtige Feinde schafft, wenn Ihr an dieser Entscheidung festhaltet.«
Simon stützte den Bogen auf und umschloss das obere Ende der Jagdwaffe mit der Hand, während er seinen Neffen anblickte. »Ist es allein die Sorge um unsere Familie, die Euch umtreibt – oder spricht aus Euch gerade Eure persönliche Abneigung gegen de Guillory?«
Ferry hatte nie einen Hehl aus seiner Aversion gegen de Guillory gemacht, und so überraschte es ihn nicht, dass sein Onkel davon wusste. »Ich gebe zu, ich mag diesen Mann nicht. Ich wünschte, Vater und Ihr hättet Yolande einem anderen zur Frau gegeben. Aber darum geht es jetzt nicht. Eure Fehde gegen Bar war lang und kräftezehrend, so berechtigt sie auch war. Wir werden ein Jahr brauchen, um uns davon zu erholen. Wenn es währenddessen zu neuem Zwist kommt, weil andere Vasallen sich übergangen fühlen, könnten wir ernsthaft in Schwierigkeiten geraten.«
Der Herzog blickte wieder zu dem Forst und schwieg lange. »Da könntet Ihr recht haben, Neffe«, sagte er schließlich. »Vielleicht war ich mit meiner Entscheidung zu voreilig. Leider kann ich sie nicht zurücknehmen. Ich habe de Guillory bereits mein Wort gegeben.«
Ferry war nicht daran gelegen, dass sein Schwager keinen Lohn für seine Treue bekäme. Er wollte nur sicherstellen, dass dieser unberechenbare Kerl brav im Hinterland blieb, wo er keinen Schaden anrichten konnte. »Wenn Ihr ihn angemessen entschädigt, wird er Euch verzeihen, dass er nicht Marschall geworden ist.«
»Und wie könnte solch eine Entschädigung aussehen?«
»Gebt ihm ein neues Lehen.«
»Es müsste schon ein außergewöhnlich großes und reiches Lehen sein.«
Ferry hatte in der vergangenen Nacht lange darüber nachgedacht und eine Idee entwickelt, die allen Beteiligten gerecht werden würde: de Guillory, Herzog Simon, der Familie und natürlich ihm selbst.
Mit wohlüberlegten Worten schilderte er Simon seinen Vorschlag.
Drei Tage nach Jeans Hochzeit brütete Michel wieder einmal über seinen Büchern. Vor ihm ausgebreitet lagen Karten der Handelsstraßen, Saumpfade und Wegenetze und seine Aufzeichnungen über die verschiedenen Fürstentümer und Märkte des Reiches.
Wie könnten sie es schaffen, einen Teil ihrer Geschäfte an den Rhein zu verlagern, damit er häufiger Isabelle und Rémy besuchen konnte? Und wie vermieden sie Einbußen bei den Gewinnen, wenn sie das taten?
Gar nicht, dachte er, nachdem er sich eine Stunde lang den Kopf zerbrochen hatte. Wenn sie öfter nach Speyer, Mainz, Worms oder Köln reisen wollten, mussten sie notgedrungen auf mindestens zwei Champagne-Messen im Jahr verzichten. Aber die Märkte in Troyes, Provins, Bar-sur-Aube und Lagny-sur-Marne boten nun einmal die besten Geschäftsbedingungen für französischsprachige Kaufleute. Wenn sie ihnen zugunsten der Märkte am Rhein fernblieben, verloren sie zwangsläufig Geld, denn die deutschen Städte schützten sich mit hohen Zöllen vor auswärtigen Händlern.
Es war vertrackt. Seufzend klappte Michel die Bücher zu und schloss für einen Moment die müden Augen.
Nebenan in der Küche klapperte Adèle mit dem Geschirr. Die junge Frau schien sich rasch an ihre neue Umgebung zu gewöhnen. Das Stadtleben gefiel ihr, und bereits am Morgen nach der Hochzeit hatte sie das Regiment über den Haushalt übernommen. Zuerst hatte sie Louis und Yves aus der Küche verbannt, mit erfreulichen Folgen: Zum ersten Mal seit Monaten bekamen Jean und Michel ein Essen auf den Tisch, das nicht versalzen oder verkocht oder angebrannt war.
Michel beschloss, einen Spaziergang zu machen, um noch einmal in Ruhe über ihre künftigen Geschäfte nachzudenken. Gerade als er aufstand, stürzte Jean in die Stube. Er war leichenblass.
»Michel, du musst kommen! Herzog Simon ist in der Stadt!«
»Ja, und?«
»Er will de Guillory zum Statthalter von Varennes ernennen!«
Michel war, als setze sein Herz einen Schlag aus. Rasch griff er nach seinem Mantel und eilte mit Jean zum Domplatz.
Wie jede schlechte Nachricht verbreitete sich auch diese in Windeseile, und von allen Seiten strömten Leute zum ehemaligen Bischofspalast, in dem sich der Herzog und de Guillory aufhielten. Michel entdeckte Catherine, Duval, Melville und Le Roux in der Menschenmenge und schritt zu ihnen.
»Wisst ihr schon mehr?«, erkundigte er sich bei seinen Freunden.
»Wir sind auch eben erst gekommen«, antwortete Catherine.
»Vermutlich wird der Herzog de Guillory mit Varennes belehnen«, sagte Duval mit
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