Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
woraufhin er beschlossen habe, einen anderen Vasallen des Hauses Châtenois zum Marschall zu ernennen. Ein Name war jedoch nicht gefallen, und Aristide kam nicht umhin zu vermuten, dass jemand gegen ihn gearbeitet hatte. Sein Verdacht galt augenblicklich Ferry II. Sein Schwager hatte gewiss seinen Einfluss bei Simon, seinem Onkel, geltend gemacht und ihn davon überzeugt, dass dem Hause Châtenois besser gedient sei, wenn Aristide Varennes-Saint-Jacques anstelle des Marschallamtes bekäme. Wahrscheinlich wollte Ferry sicherstellen, dass Aristide im Hinterland festsaß, wo er kaum Einfluss auf die Politik des Herzogtums nehmen konnte.
Diesmal hast du gewonnen. Aber das letzte Wort zwischen uns ist noch nicht gesprochen, dachte Aristide und erneuerte seinen Racheschwur.
Er ließ sich einen Becher Wein bringen und begann darüber nachzudenken, was er nun mit seinen neuen Besitztümern und Befugnissen anstellte.
Was brauchte er am dringendsten?
Die Antwort war so eindeutig wie schlicht: Geld.
Seine Burg musste endlich fertiggebaut werden. Außerdem benötigten seine Männer neue Panzerhemden, Waffen und Pferde, denn Ausrüstung und Tiere hatten während der Fehde gegen den Grafen von Bar nicht wenig gelitten. Und zu allem Überfluss hatte ihn kürzlich der neue Bischof von Toul wissen lassen, er wolle baldigst Geld sehen. Das Darlehen, das Ulman Aristide einst gewährt hatte, damit er sich von seiner Teilnahme am Kreuzzug freikaufen konnte, war betrüblicherweise nicht in Vergessenheit geraten, als Johann von Trier die Diözese Varennes aufgelöst hatte. Sämtliche Ansprüche aus dem Kredit waren auf das Bistum Toul übergegangen, und Eudes de Vaudémont, so der Name des fraglichen Bischofs, bestand auf zügiger Begleichung der Schuld, die durch Ulmans Wucherzinsen inzwischen auf knapp siebenundfünfzig Pfund Silber angewachsen war.
Nachdem er Ulmans Seele ausgiebig in den tiefsten Kreis der Hölle verflucht hatte, hatte Aristide sich lange und fruchtlos den Kopf zerbrochen, wo er auf die Schnelle eine derart hohe Summe auftreiben könnte. Seine einzige Idee: Er musste irgendwie eine Möglichkeit finden, Barbarossas Zollbeschränkung zu umgehen, damit er wieder wie früher fünfzehn von hundert Teilen auf jedes Salzfass nehmen konnte, das seine Brücke überquerte.
Das war vor vier Wochen gewesen. Jetzt verwarf er diesen Gedanken. Zum einen barg es beträchtliche Risiken, eine kaiserliche Verfügung zu missachten. Zum anderen ließen die jüngsten Entwicklungen derartige Überlegungen töricht und kleingeistig erscheinen.
Wer brauchte eine Brücke, wenn ihm eine ganze Stadt zur Verfügung stand?
Er trank einen Schluck Wein, spülte ihn von einer Backe in die andere und betrachtete die Marktstände, die Warenstapel, die Kaufmannshäuser rings um den Domplatz. Varennes war eine reife Frucht, und er brauchte sie nur zu pflücken.
»Berengar!«, brüllte er.
Als sein Sarjant erschien, gab Aristide ihm den Auftrag, Jaufré Géroux zu holen. Berengar machte sich sogleich auf den Weg und kam kurz darauf mit dem Münzmeister zurück.
»Ihr wollt mich sprechen?«
»Welche Steuern gibt es in diesem Nest?«, fragte Aristide ohne Umschweife.
»Das könnt Ihr den Steuerlisten in den Amtsräumen des Schöffenkollegiums entnehmen.«
Aristide konnte nicht lesen – ein überflüssiger Zeitvertreib, dem nur Krämer und Pfaffen nachgingen. Und selbst wenn er es gekonnt hätte, würde er sich gewiss nicht die Mühe machen, Stapel von verstaubten Pergamenten zu studieren. »Es sind die Herdsteuer, der Freiteil auf alle Erbschaften und der jährliche Zehnt für die Pfarreien, richtig?«
»Und die Marktabgaben«, sagte Géroux, der keinen Hehl daraus machte, dass er für Aristide keine Liebe empfand. Der Gildemeister trug es ihm nach, dass er einst die Frechheit besessen hatte, eine Bezahlung dafür zu verlangen, gegen Caron zu kämpfen. Es passte ihm ganz und gar nicht, dass Aristide nun über seine Stadt verfügen konnte, wie es ihm gefiel.
»Wann wird die Herdsteuer das nächste Mal fällig?«
»Immer zu Michaeli.«
»Das ist zu spät. Ich brauche jetzt Geld.«
»Mit Verlaub, Herr de Guillory, die Steuern sind nicht dazu da, die Löcher in Euren Kassen zu stopfen. Sie dienen dem Wohle Varennes’ und seiner Bürger.«
»Dem Wohle Ulmans und seiner Ministerialen, wolltet Ihr sagen«, erwiderte Aristide und lächelte dünn. »So war es zumindest all die Jahre. Aber jetzt bin ich der Herr dieser Stadt, falls es Euch noch
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