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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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überraschte sie ein Unwetter und durchnässte sie bis auf die Haut. Michel verkühlte sich und bekam ein Fieber, das von Tag zu Tag schlimmer wurde. Bei ihrer Ankunft in Varennes ging es ihm schließlich so schlecht, dass Jean den Medicus rufen musste. Der Arzt verordnete Michel strikte Bettruhe, ließ ihn zur Ader und erklärte Adèle, wie sie ihn zu pflegen habe.
    Das Fieber war keinesfalls lebensgefährlich, doch es suchte Michel zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt heim. Nicolas de Bézenne wartete auf eine Lieferung Salz, Leder und Kettenhemden, und sie hätten längst auf dem Weg nach Metz sein müssen, um die Waren zu beschaffen. Da sie es sich nicht erlauben konnten, de Bézenne zu verärgern, hatte Jean keine Wahl, als Michel der Fürsorge seiner Frau zu überlassen und allein nach Metz zu reisen.
    »Schaffst du das?«, fragte Michel schwach.
    »Die paar Sachen zu besorgen und de Bézenne zu verkaufen, werde ich gerade noch hinbekommen.« Jean lächelte. »Kurier dich aus, Bruder. Ich kümmere mich um alles.«
    M ETZ
    N eben seinen Tuchhallen, Bankhäusern und Gestüten war Metz vor allem für seine Waffenschmieden berühmt. Die Klingen der hiesigen Schwertfeger waren schärfer, die Rüstungen der Sarwürker widerstandsfähiger als die ihrer Konkurrenten, und Fürsten aus dem ganzen Westen des Reiches kauften bei ihnen ein. So war es nicht verwunderlich, dass sich die Metzer Waffenschmiede ihre Erzeugnisse teuer vergüten ließen: Für ein Breitschwert oder ein Panzerhemd verlangten sie gut das Anderthalbfache dessen, was man in der Champagne oder am Rhein dafür bezahlte. Jean war jedoch entschlossen, einen guten Preis herauszuhandeln. Ihm blieb gar nichts anderes übrig: Ein einfacher Ritter wie Nicolas de Bézenne konnte sich keine kostspieligen Rüstungen leisten.
    Nachdem er Salz und Leder eingekauft hatte, wies er die beiden Gildensöldner an, beim Wagen zu bleiben, und schlenderte über den Markt auf dem Place de Vésigneul. In den Gassen zwischen den Zelten und Verkaufsständen herrschte wie immer Gedränge, und die Händler übertönten einander beim Anpreisen ihrer Ware. Die Waffenschmiede besaßen eine eigene Halle, in der es etwas ruhiger zuging. Jean verschaffte sich einen Überblick über die Auslagen, erkundigte sich nach den Preisen und begann schließlich mit einem älteren Sarwürker um zwei Kettenhemden zu feilschen.
    Jean hatte sich längst damit abgefunden, dass er nie ein findiger Kaufmann wie Michel werden würde – dafür fehlten ihm schlicht Geduld und Wortgewandtheit. Gleichwohl hatte er sich von seinem Bruder den einen oder anderen Kniff abgeschaut. So hatte er es sich beispielsweise zur Gewohnheit gemacht, jeden Handelspartner genau zu beobachten, um etwaige Schwächen auszumachen. Fand er welche, machte er sie sich – freilich innerhalb der Grenzen von Anstand und Gesetz – bei den Verhandlungen zunutze.
    Die Schwachstelle des Rüstungsmachers war augenfällig. Er presste sich einen kühlen Lappen auf die Wange und verzog gelegentlich das Gesicht: Er litt an einem faulen Zahn. Da ihm das Sprechen Schmerzen bereitete, wollte er das Geschäft kurz halten. Jean jedoch zog die Verhandlungen absichtlich in die Länge, ließ sich die Machart der Rüstungen genau erklären und beharrte stur auf seinen Preisvorstellungen, bis der Sarwürker es nicht mehr aushielt und ihm einen großzügigen Nachlass gewährte, nur damit er endlich ging. Zufrieden mit sich folgte Jean den beiden Lehrjungen, die die Kiste mit den Kettenhemden zu seinem Wagen trugen. Gewiss, solcherart mit einem schmerzgeplagten Handwerker umzuspringen war nicht nett. Aber was hatte er für eine Wahl? Die Welt war auch nicht nett zu ihm.
    Die Glocken schlugen gerade zur Vesper, als die Söldner und er zur Herberge in der Nähe des Stadttores fuhren. Da es zu spät war, um heute noch nach Varennes aufzubrechen, und zu früh, um ins Bett zu gehen, beschloss Jean, einen Spaziergang zum Stadtkern zu machen. Vielleicht fand er auf dem Place de Chambre ein neues Schutzamulett für seine Tochter, bevor der Markt für heute schloss.
    Er hatte den Platz im Schatten der Kathedrale kaum erreicht, als es zu regnen anfing. Dicke, eisige Tropfen prasselten auf Marktstände und Hausdächer und weichten den Lehmboden auf. Rasch zog Jean seine Mantelkapuze über und flüchtete zu einer Schenke, deren erleuchtete Fensterschlitze ein warmes Kaminfeuer verhießen.
    Die Tür öffnete sich, und ein bulliger Mann trat ins Freie, wie Jean in

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