Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Wehrmauern – sie waren allein in dem Bretterverschlag, auf den gleichmäßig der Regen trommelte. Conon schlug seine Kapuze zurück und spähte aus dem Fensterschlitz.
»Eine hübsche Burg habt Ihr da. Dieses Städtchen scheint eine Menge Silber abzuwerfen, dass Ihr Euch all diese Arbeiter und Zimmerleute leisten könnt.«
»Bist du deshalb hier – weil du noch mehr Geld willst?«, fragte Aristide. »Lass dir eins gesagt sein, Conon: Berengar kannst du vielleicht erpressen, aber nicht mich. Ich schneide dir schneller die Kehle durch, als du ›Denier‹ sagen kannst.«
Conon hob abwehrend die Hände. Von seiner roten Säufernase löste sich ein Regentropfen und fiel ins Stroh. »Ich bin vollauf zufrieden mit unserer neuen Abmachung. Ich bin aus anderen Gründen hier. Jemand interessiert sich für unser Geheimnis.«
»Wer? Hast du geredet?«
Der Wollweber wich zurück, als Aristide langsam auf ihn zutrat. »Ich habe kein Wort gesagt – ich schwöre es beim Seelenheil meiner Mutter. Es war ein Kaufmann aus Varennes. Der Held des Kreuzzugs.«
»Jean de Fleury?«, fragte Aristide.
»Ja. Genauso heißt er. Er gab sich als Raymond von Épinal aus, aber er kam mir gleich bekannt vor. Auf dem Weg hierher fiel mir wieder ein, dass ich ihn schon ein paar Mal auf dem Markt gesehen habe, zusammen mit seinem Bruder. Vor zwei Jahren war er einige Wochen Stadtgespräch in Metz, weil er dabei war, als der Kaiser …«
»Was wollte er?«, schnitt Aristide ihm das Wort ab. »Jetzt sag schon. Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen, Mann!«
Conon berichtete von seiner Begegnung mit Jean de Fleury und von den Fragen, die der Kaufmann ihm gestellt hatte.
»Wieso wusste er, dass du Berengar getroffen hast?«
»Schätze, er ist ihm gefolgt.« Der Wollweber lächelte schmierig. »Ich dachte, Ihr solltet davon erfahren. Gewissermaßen als Zeichen unserer Freundschaft.«
Aristide zischte einen Fluch und hieb mit der Faust gegen die Schuppenwand. Hörte diese Familie denn nie auf, ihm Scherereien zu machen? Er hätte sie ein für alle Mal auslöschen sollen, statt sich damit zu begnügen, ihnen die Geschäfte zu verderben.
Er musste so schnell wie möglich dafür sorgen, dass de Fleury aufhörte, in seiner Vergangenheit zu wühlen. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn der Bursche sein Geheimnis enthüllte.
»Wann hast du mit de Fleury geredet?«, fragte er den Wollweber.
»Vor nicht mal drei Tagen. Ich sage doch, ich bin sofort hergekommen.«
»Wo ist der Kerl jetzt?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Conon. »Vermutlich noch in Metz. Er machte nicht den Eindruck, als würde er so schnell aufgeben.«
Aristide riss die Schuppentür auf und befahl einem Knecht, sein Pferd zu satteln.
M ETZ
M üde saß Jean am Fenster des Schankraums und beobachtete das Treiben auf dem Place de Chambre. Er hatte die Beine hochgelegt und trank sein Bier, während draußen ein jüdischer Geldwechsler, erkennbar an seinem spitzen Hut und dem seltsamen Bart, lautstark mit zwei einheimischen Kaufleuten stritt. Als der Wechsler drohte, die Obrigkeit zu rufen, warfen die beiden Messins jeweils eine Handvoll Silberstücke auf den Boden, schüttelten die Fäuste und trollten sich schimpfend.
Kurz darauf erschien der Marktvogt mit seinen Bütteln und erklärte den heutigen Markt für beendet, woraufhin die Kleinkrämer und Stadtbauern ihre Stände abbauten und die Ware auf ihre Karren luden. Jean bestellte noch ein Bier. Die Schankmaid, ein hübsches Mädchen mit Korkenzieherlocken, stellte den schäumenden Krug vor ihm auf den Tisch und verlangte einen Hälbling. Er gab ihr einen Denier, und sie zwinkerte ihm zum Dank zu.
Jean betrachtete das Nazar in seiner Hand. Diesmal hatte ihm das Amulett kein Glück gebracht. Seit einer guten Woche schon war er jetzt in Metz und hatte diskret Erkundigungen über Conon und dessen Familie eingeholt. Was er herausgefunden hatte, war nicht der Rede wert. Conons Weib war vor einigen Jahren gestorben. Der Wollweber selbst führte ein einfaches, stilles und respektables Leben, sah man von seiner übermäßigen Vorliebe für Wein und Starkbier ab. Falls er je ein Gesetz gebrochen hatte, so wusste die Obrigkeit nichts davon. Beinahe täglich besuchte er seine erwachsene Tochter Velin, die mit einem deutschstämmigen Messin namens Aëlred verheiratet war. Wie sein Schwiegervater arbeitete Aëlred als Wollweber in einer Werkstatt im Westen von Metz. Velin und er hatten einen Sohn, den achtjährigen Gislebert.
So weit,
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