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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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kauerte er reglos auf dem Schemel und betrachtete das Gesicht jener Frau, der er so viel verdankte, ohne die er verarmt, vielleicht sogar gestorben wäre.
    Friede deiner Seele, Catherine, betete er stumm.
    In den frühen Morgenstunden half er den Dienern, sie in ein Leichentuch zu wickeln. Ein letztes Mal bekreuzigte er sich, ehe er ging und wie betäubt durch die Gassen schritt.
    Zwei Stadtbüttel kamen ihm entgegen. Sie schoben einen Karren, auf dem die Leichen mehrerer Bettler und Tagelöhner lagen, die Körper grotesk verkrümmt, die Glieder ineinander verheddert wie totes Geäst.
    Was haben wir getan, Herr, dachte Michel , dass du uns so grausam strafst?
    Zwei Tage nach Catherines Tod bekam Michel Besuch von Balian, ihrem Pfarrer und Beichtvater. Ein Knecht Catherines begleitete den betagten Geistlichen.
    »Als Frau Partenay erkrankte, rief sie mich an ihr Lager, um ihren Nachlass zu regeln«, erklärte Vater Balian. »Sie hat ihren Besitz der Pfarrei, dem Siechenhaus der Abtei Longchamp und der Gilde vermacht. Aber sie wollte, dass auch Ihr einen Teil bekommt.«
    Er gab dem Knecht ein Zeichen, woraufhin der junge Mann eine lederne Geldkatze von seinem Gürtel löste.
    »Das sind zwanzig Pfund Silber. Sie sollen Euch gehören. Ihr habt Catherine viel bedeutet, also verwendet das Geld weise.«
    Michel legte eine Hand auf die Geldkatze. »Das werde ich tun. Habt Dank, Vater.«
    »Lasst uns nun für ihre Seele beten«, sagte der Priester und faltete die Hände.
    Catherine Partenay und Jaufré Géroux und all die anderen wohlhabenden Bürger, Ministerialen und Angehörige des Klerus, die der Roten Ruhr zum Opfer fielen, fanden ihre letzte Ruhe auf den Friedhöfen ihrer Pfarrkirchen, in geweihter Erde neben den Gräbern ihrer Familien. Die vielen Armen und Unfreien jedoch, die der Seuche erlagen, wurden in Massengräbern außerhalb der Stadtmauern verscharrt. Das Schöffenkollegium und de Guillory hatten sie in aller Eile anlegen lassen, damit die Leichen nicht auf offener Straße verwesten, was den unsichtbaren Dämpfen der Pestilenz neue Nahrung gegeben hätte.
    Tag und Nacht läuteten die Kirchenglocken und begleiteten die Seelen der Toten auf ihrem Weg ins Jenseits.
    Jean kam zurück und berichtete, die Ruhr wüte nur in Varennes. Der Hof der Tolberts und die Dörfer der Gegend seien bisher verschont geblieben. Michel und Louis packten ihre Sachen, betteten Yves auf den Ochsenwagen und fuhren zum Gehöft von Adèles Familie. Ihr Vater Jérôme und ihre Brüder gewährten ihnen bereitwillig Zuflucht.
    Als Yves nicht länger den üblen Dünsten der Stadt ausgesetzt war, erholte er sich rasch. Einmal alle zwei Tage ritt Michel nach Varennes und erkundigte sich nach seinen Freunden und Nachbarn. Fast alle Patrizier und Gildenmitglieder waren inzwischen aufs Land geflohen. Nur Charles Duval und Fromony Baffour hatten es nicht rechtzeitig geschafft: Sie waren krank geworden, schienen jedoch dank der Heilkunst ihrer Ärzte auf dem Weg der Besserung zu sein.
    Andere hatten nicht so viel Glück: Zweiundachtzig Menschen waren bereits gestorben. Täglich kamen neue hinzu. Die öffentliche Ordnung war weitgehend zusammengebrochen. Auf dem Domplatz fand seit Tagen kein Markt mehr statt, in den Werkstätten der Grande Rue und den Gassen der Bruderschaften wurde kaum noch gearbeitet. Als es zu Plünderungen kam, ließ de Guillory mit harter Hand durchgreifen. Seine Büttel und Kriegsknechte knüpften jeden auf, der nur im Verdacht stand, sich an fremdem Besitz vergriffen zu haben.
    Nach zwei Wochen hatte die Ruhr bereits über hundertvierzig Opfer gefordert.
    Schließlich neigte sich die Fastenzeit ihrem Ende zu. Bei der Prozession am Palmsonntag flehten die Menschen den Himmel an, sie endlich von der Seuche zu erlösen. Gott erhörte sie nicht: Das Sterben ging auch in der Karwoche weiter.
    Auf dem Hof der Tolberts jedoch trotzte das Leben dem allgegenwärtigen Tod. Am Gründonnerstag, kurz nach Sonnenaufgang, gebar Adèle ihr Kind.
    Es war ein Mädchen. Ein kerngesundes, quicklebendiges Kind, versicherte ihnen Peirona, die Hebamme.
    Nach quälend langen Stunden des Wartens durfte Jean endlich die Schlafkammer betreten. Adèle lag im Bett, blass und verschwitzt, und lächelte ihn an.
    »Ist sie nicht wunderschön?«
    Jean nahm das rosafarbene Würmchen in die Arme und betrachtete das zerknautschte Gesicht. Es schlief und hatte die winzigen Hände zu Fäusten geballt, als sei es fest entschlossen, sich nach den Strapazen der

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