Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Morgen, Nachforschungen anzustellen.
Wer war Conon?
Er hörte sich um – auf den Märkten, in den Schenken, in der Gilde, der Michel und er angehörten. Deniers und Sous, freigiebig verteilt, frischten Erinnerungen auf; ein Becher Wein hier und ein Krug Bier da lockerten Zungen. So erfuhr er, dass Conon ein einfacher Wollweber war, der in einem ärmeren Viertel im Osten der Stadt wohnte. Jeden Abend besuchte er nach getaner Arbeit eine namenlose Schenke hinter der Kirche Notre-Dame und trank, bis er schwankte.
Am dritten Tag, als die Glocken zur Vesper riefen, ging Jean zu der besagten Schenke, setzte sich in einer Nische an den Tisch und nippte an seinem Bier, während er die Gäste beobachtete. Allmählich füllte sich der düstere Raum mit Gesellen und Arbeitern in schmutzstarrenden Kitteln, die lachten, tranken und auf ihre Herren schimpften. Jeden, der durch die Tür trat, musterte Jean eingehend. Zwar hatte er Conons Gesicht nicht genau gesehen, doch er war sicher, dass er den schmächtigen Wollweber wiedererkennen würde.
Da – das musste er sein! Ein kleiner Mann mit hängenden Schultern schlurfte herein und rief einigen Gästen Grüße zu.
Diese Stimme: unverkennbar.
Conon setzte sich an einen Tisch, bestellte ein Bier und unterhielt sich mit zwei anderen Wollwebern. Die Männer gingen nach einer Stunde, Conon jedoch blieb sitzen und rief nach einem neuen Bier.
Jean stand auf. Als Conon das Bier bezahlen wollte, kam er ihm zuvor und drückte dem Wirt einen Hälbling in die Hand. »Das geht auf mich.«
»Habt Dank, Freund«, sagte Conon. »Was verschafft mir die Ehre?«
»Ist hier noch frei?«
»Ihr seht, ich bin allein.«
Jean ließ sich auf der Bank nieder. »Ich bin neu in der Stadt. Ich dachte, Ihr könntet mir das eine oder andere über Metz erzählen.«
»Mach ich gern, Freund. Kennen wir uns?«
»Wohl kaum. Bin gerade erst angekommen.«
Der Wollweber hob seinen Krug. »Conon.«
»Raymond.« Sie stießen miteinander an.
»Also, was wollt Ihr wissen?«
Jean gab sich als Händler aus Épinal aus, der in Metz Fuß fassen wollte. Um Conons Vertrauen zu gewinnen, stellte er einige harmlose Fragen über die Stadt, die Märkte und die ansässigen Gilden, die der Wollweber nach bestem Wissen beantwortete. Er erwies sich als freundlicher Zeitgenosse, der einem Gespräch nicht abgeneigt war.
Nach einer Stunde beschloss Jean, mehr zu wagen. »Mich interessiert noch etwas anderes«, begann er. »Ich suche einen Mann. Berengar ist sein Name. Er ist der Sarjant von Aristide de Guillory, dem Herrn Varennes-Saint-Jacques’. Kennt Ihr ihn?«
Conon schüttelte den Kopf. »Nie gehört.« Er starrte in sein Bier.
»Seltsam. Ich könnte schwören, ich hätte Euch vor drei Tagen mit ihm gesehen.«
»Ich fürchte, da täuscht Ihr Euch.«
»Vielleicht kann ich Euer Gedächtnis auffrischen.« Jean schob eine Handvoll Sous über den Tisch. Gier flackerte in Conons Augen auf, als er die Silbermünzen betrachtete. »Worüber habt ihr in jener Nacht geredet?«
»Keine Ahnung, was Ihr meint.« Ohne das Geld anzurühren, stand der Wollweber auf.
»Seid doch vernünftig. Ihr könntet mir einen großen Dienst erweisen.«
»Sprecht mich nie wieder an, Raymond … oder wer immer Ihr seid.«
Jean erhob sich. »Ich muss wissen, wieso Ihr von de Guillory Geld bekommt.«
Conon ging, eilte mit nach vorne gebeugten Schultern davon.
»Wartet! Ich zahle gut.«
»Ich will Euer Geld nicht.«
Der Wollweber riss die Tür der Schenke auf und verschwand in der Nacht.
»Verfluchter Mist«, murmelte Jean.
B URG G UILLORY
I ch bin so schnell gekommen, wie ich konnte«, sagte Conon, als sie zu den Bauschuppen der Vorburg eilten. »Bin geritten, als wär der Leibhaftige hinter mir her, obwohl’s geregnet hat wie bei einer neuen Sintflut. Das könnt Ihr mir glauben, Herr, das ist vielleicht ein Mistwetter …«
Zweifellos hatte der Wollweber einen Höllenritt hinter sich, so erschöpft, schmutzig und durchgefroren, wie er aussah. Was er zu sagen hatte, musste wirklich wichtig sein. Und doch hätte Aristide es vorgezogen, Conon wäre in Metz geblieben. Er hatte dem Mann schon vor Jahren eingeschärft, dass man sie unter keinen Umständen zusammen sehen durfte. Und jetzt war er hier, in seiner Burg – nicht zu fassen.
»Rein mit dir, mach schon!« Aristide schob den Wollweber unsanft in den Schuppen, bevor der Truchsess oder Yolande oder sonstwer ihn erblickte.
Die Arbeiter und Steinmetze arbeiteten alle auf den
Weitere Kostenlose Bücher