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Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Wolf
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Höhe einzutreiben; zwei besonders aufsässige Wirte verhafteten sie gar und steckten sie in den Hungerturm. Meist jedoch war die Furcht vor dem bischöflichen Dekret stärker als die Aussicht auf Strafe, sodass die Amtsmänner den Forderungen der Bauern, Krämer und Kaufleute allzu häufig nachgaben.
    »Wie viel haben wir verloren?«, fragte Aristide vier Tage nach Duvals Auseinandersetzung mit dem Zöllner.
    »Bis jetzt nur knapp fünf Pfund«, antwortete der Stadtkämmerer. »Aber es wird mehr werden. Viel mehr, fürchte ich. Wenn die ganze Stadt mitmacht, könnten es am Ende des Monats zwanzig sein.«
    Mit finsterer Miene beobachtete Aristide das Treiben auf dem Marktplatz, während er am Fenster des Palastsaales stand. Zwanzig Pfund Verlust, Monat für Monat. Er hatte mit dem Gedanken gespielt, nach Toul zu reiten und diesen gottverdammten Pfaffen zu zwingen, das Dekret zurückzunehmen. Leider wusste er nicht, wie er das bewerkstelligen sollte. Wenn er dem Bischof Gewalt antat oder auch nur androhte, stand ihm Ärger mit Johann von Trier ins Haus. Und den Erzbischof wollte man nicht zum Feind haben.
    Was also tun? Alle verhaften, die sich den Abgaben verweigerten? Er hätte es ohne zu zögern getan, wenn er sicher gewesen wäre, dass seine Leute mitspielten. Die gesamte Verwaltung Varennes’ zog es jedoch vor, vor dem Bischof zu zittern, selbst wenn das bedeutete, Aristides Befehle zu missachten.
    Er wandte sich um. Der Kämmerer hatte an seinen Nägeln gekaut und nahm hastig die Finger aus dem Mund.
    »Wünscht Ihr außerdem die Aufzeichnungen über die Herdsteuer und die Einnahmen aus dem Freiteil zu sehen?«
    »Verschone mich mit deinem Amtsstubengeschwätz. Geh. Mach lieber den Zöllnern Feuer unter dem Hintern, damit sie ihre Arbeit tun.«
    Als der Kämmerer davonhuschte, blickte Aristide wieder aus dem Fenster. Irgendwo lachte ein Fischweib und schielte zu ihm hinauf, und er wusste, dass ihr Spott ihm galt. Genauso hatte es damals bei Bischof Ulman angefangen. Heimlich, still und leise hatte die Gilde seine Autorität in der Stadt untergraben, und ein Jahr später war seine Macht zusammengebrochen wie eine wurmzerfressene Mühle. Und wieso? Weil Ulman dem Treiben des Krämerpacks zu lange tatenlos zugesehen hatte.
    Aristide würde nicht denselben Fehler machen. Er konnte vielleicht nicht verhindern, dass de Fleury wieder Handel trieb. Aber er würde nicht zulassen, dass man ihn um seine Steuereinnahmen brachte, die ihm nach Recht und Gesetz zustanden.
    Es wurde Zeit für eine Lektion. Einen schmerzlichen Denkzettel, den die Gilde nicht so bald vergaß. Der ein für alle Mal klarstellte, was geschah, wenn man ihn herausforderte. Eine andere Sprache verstanden diese Krämer nicht.
    Er rief nach Berengar.
    Eine halbe Stunde später wusste der Sarjant, was er zu tun hatte.
    Noch lange nach Einbruch der Dunkelheit saß Pierre Melville in seiner Amtsstube in der Gildehalle und kümmerte sich um die Bücher und Warenlisten. In den vergangenen Monaten hatte sich viel Arbeit angehäuft, da er fast den ganzen Sommer über auf Reisen gewesen war. Eigentlich war Arbeit bei Nacht verboten, da allein Schurken und Sünder bei Dunkelheit zugange waren. Verrichtete man jedoch nur leichtes Schreibhandwerk, drückte die Kirche meist ein Auge zu.
    Als er die Halle schließlich verließ, ging es bereits auf die Matutin zu. Pierres Augen schmerzten vom schummrigen Kerzenlicht, und er sehnte sich nach seinem Bett. Morgen, beschloss er, würde er es ruhig angehen lassen. Aufreibende Tage lagen hinter ihm, und er hatte sich etwas Erholung verdient. Ein Gang zum Grab seiner Eltern, ein Besuch in der Schenke, mehr würde er nicht tun.
    Er sperrte die Tür seines Hauses auf und betrat den dunklen Eingangsraum, wo ihn der vertraute Geruch nach Talg, frischem Salz und Tuchfarben erwartete. Seine Hausbedienten schliefen bereits. Um sie nicht zu wecken, schlich er die Treppe hinauf.
    Es hatte sich einiges verändert in seinem Heim, seit seine Gemahlin vor zwei Sommern gestorben war. Sein fünfzehnjähriger Sohn arbeitete bei einem befreundeten Kaufmann in Nancy, damit er in der Fremde Erfahrungen sammeln konnte. Seine Tochter hatte vergangenen Herbst geheiratet und lebte mit ihrem Mann in einem hübschen Haus am Salztor. Pierre lächelte in sich hinein, während er in der Küche eine Kerze anzündete. Seine kleine Ide, Ehefrau, werdende Mutter – er konnte es kaum glauben. Für ihn war sie immer noch das wilde Mädchen, das tagaus,

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