Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
war.
»Wie lange bleibst du in Metz?«, erkundigte sie sich.
»Wir reisen morgen ab.«
»Wie schade. Du hättest mich besuchen können.«
Romilly legte ihr besitzergreifend den Arm um die Taille. »Wir sollten jetzt gehen, Sybille. Es ist schon spät, und Herr de Fleury hat eine anstrengende Reise vor sich. Er will gewiss bald zu Bett gehen.«
»Es war schön, mit dir zu plaudern, Michel«, sagte Sybille. »Lass etwas von dir hören, wenn du wieder in Metz bist, ja?«
»Lebt wohl, Herr de Fleury. Der heilige Nikolaus sei mit Euch.« Der Jüngling nickte ihm noch einmal zu und führte sie sanft, aber bestimmt die Gasse hinauf.
Lächelnd schüttelte Michel den Kopf, als er die Herberge betrat. Sybille war einfach unverbesserlich. Kurz darauf saß er im Schankraum, in der Hand einen Becher Wein, und sann über vergangene Liebesnächte und verpasste Gelegenheiten nach.
Ersetzt sie mich mir nichts, dir nichts durch einen Zwanzigjährigen. Was sagt man dazu?
Er trank auf ihr Wohl, legte einen Hälbling auf den Tisch und ging zu Bett.
Nach ihrer Rückkehr kurz nach Mariae Himmelfahrt trat die Gilde zusammen. Fast alle Mitglieder waren anwesend; lediglich Baffour, Nemours und de Neufchâteau weilten noch auf der Sankt-Johannes-Messe in Troyes.
Trotz des Krieges war die Stimmung im Saal prächtig. Der Gilde war es gelungen, Michel vor de Guillory zu schützen, und das erfüllte die Schwurbrüder mit Stolz und Zuversicht. Besonders die Jüngeren wie René Albert und Adrien Sancere zeigten offen ihre Begeisterung. Zum ersten Mal hatten sie erlebt, wie stark ihre Gemeinschaft sein konnte, wenn sie nur entschlossen genug auftrat.
»Wir sollten diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen«, sagte Girard Voclain. »Setzen wir nach, bevor sich de Guillory von diesem Schlag erholt hat.« Das brachte Voclain zustimmende Rufe seiner Freunde ein.
»Was schlagt Ihr vor?«, fragte Melville.
»Wir haben bewiesen, dass wir etwas bewegen können, wenn wir nur wollen. Nutzen wir unseren Einfluss in der Stadt, um de Guillory Zugeständnisse abzutrotzen. Erleichterungen für den Handel. So, wie Ihr es damals bei Bischof Ulman gemacht habt.«
»Man darf die beiden nicht miteinander vergleichen«, gab Duval zu bedenken. »De Guillory kennt keine Skrupel, und die Bewohner Varennes’ kümmern ihn einen Dreck. Er ist ein viel gefährlicherer Gegner, als es Bischof Ulman war.«
»Das ist richtig«, stimmte Melville ihm zu. »Aber es wäre falsch, wenn wir uns davon einschüchtern lassen. Wenn wir etwas ändern wollen, müssen wir ihm irgendwann die Stirn bieten, daran führt kein Weg vorbei. Was meint Ihr, Michel?«
Michel dachte lange nach, ehe er antwortete. »Ich glaube, wir sollten etwas riskieren. Wir warten schon viel zu lange auf diese Gelegenheit. Wenn sich der Krieg ausweitet und die Zeiten härter werden, ist es dafür vielleicht zu spät. Dass wir vorsichtig sein müssen, steht außer Frage.«
Isoré Le Roux nickte zustimmend, und Duval schien zu erkennen, dass er auf verlorenem Posten stand. »Wie wollt Ihr vorgehen?«
»Wir brauchen wieder eine eigene Brücke«, sagte Albert, der noch ein Jüngling gewesen sein musste, als die alte abgebrannt war. »Wir sollten von de Guillory fordern, uns zu erlauben, sie wieder aufzubauen.«
»Das wird er niemals zulassen«, erwiderte Duval. »Davon abgesehen würde es nichts bringen. So oder so muss das Salz von der Saline durch sein Land. Wenn er es mit Zöllen belegen will, wird er einen Weg finden, das zu tun. Notfalls mit Sonderzöllen an den Grenzen seines Lehens.«
»Außerdem wäre eine derart weitreichende Forderung verfrüht«, sagte Melville. »Wir sollten bescheidener anfangen.«
»Die Frage ist doch: Was hemmt den Handel am meisten?«, warf Le Roux ein. »Es sind die überhöhten Marktabgaben, die de Guillory nie zurückgesetzt hat, obwohl seine Burg längst fertig ist. Dagegen müssen wir vorgehen!«
Diesmal galt die allgemeine Zustimmung ihm.
»Ich denke auch, dass wir hier ansetzen sollten«, sagte Michel.
»Aber wie?«, fragte Albert. »Indem wir nur noch die Abgaben zahlen, die wir für gerechtfertigt halten?«
»Das wäre eine Einladung an de Guillory und das Schöffenkollegium, uns alle wegen Verletzung der Steuergesetze in den Kerker zu werfen. Nein, bevor wir so etwas tun, müssen wir uns absichern. Ich schlage vor, dass wir uns in dieser Angelegenheit an den Bischof von Toul wenden.«
Eudes I. de Vaudémont, der letzte Oberhirte der Diözese,
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