Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
Heilige.
Berengar spürte ihre Blicke, während er mit vier Waffenknechten die Grande Rue hinaufritt. Blicke voller Abscheu und Hass. Sie alle wussten, was er getan hatte, und er rechnete damit, dass jeden Moment ein Armbrustschütze auf einem Dach erschien und auf ihn anlegte. Sie wünschten ihm den Tod, er sah es in ihren Gesichtern. Dem Ersten, der eine Waffe zieht, schlage ich den Kopf ab, schwor er sich. Und wenn danach die ganze Stadt brennt.
Er konnte sich nicht erklären, was gestern Nacht im Beginenhof über ihn gekommen war. Dieser alles verzehrende Zorn, diese Raserei … So etwas hatte er noch nie erlebt, nicht einmal in der wildesten Schlacht. Wenn sich das Weib wenigstens gewehrt hätte. Aber es hatte nur dagelegen und alles erduldet. Berengar fühlte sich leer, ausgelaugt, beschmutzt. Er wollte beichten, sehnte sich nach Absolution für seine Sünden, doch er wagte es nicht, damit zu Pater Porthos zu gehen, dem Burgkaplan. Er würde dem Mann nie wieder in die Augen schauen können.
Ich sollte nach Metz reiten und mir dort einen Priester suchen. Einen, der mich nicht kennt. Den ich anschließend nie wieder sehe. Ja. Das wäre leichter.
Seine Männer zügelten die Pferde, und das riss ihn aus seinen Gedanken. Sie waren am Nordtor angekommen.
»Wo ist der Kerl?«, fragte er einen Waffenknecht.
»Er wartet im Torhaus auf Euch.«
Berengar schwang sich aus dem Sattel, band sein Pferd an und schritt zu der kleinen Pforte im Sockel des Wachturms. Der Boden des halbdunklen Raums war mit frischem Stroh bedeckt, eine hölzerne Stiege führte hinauf zum Wehrgang und den oberen Stockwerken. Auf einer Kiste saß ein junger Bursche, der sich erhob, als Berengar hereinkam. Ein Schmiedelehrling. Sein Name war Julien.
»Du weißt, wo sich Caboche versteckt?«, fragte der Sarjant ohne Umschweife.
»Er ist in der Unterstadt«, antwortete der Junge und blickte ihm dabei frech in die Augen.
»Wo genau?«
»Zuerst will ich meine Belohnung.«
»Die kriegst du, wenn wir Caboche haben. Also, wo ist er?«
»In einem alten Lagerschuppen bei den Anlegestegen.«
Am Flussufer gab es gut zwei Dutzend Lagerschuppen. Unmöglich, alle zu durchsuchen, ohne dass Caboche davon Wind bekam. »Führ uns hin«, befahl Berengar.
»Das kann ich nicht. Wenn mich einer von meinen Leuten sieht, bin ich geliefert.«
»Dann sag mir genau, welcher es ist.«
Der Lehrling gab ihm eine umständliche, aber präzise Beschreibung, sodass Berengar schließlich wusste, um welchen Schuppen es sich handelte.
»Du wartest hier auf mich.«
Kurz darauf saß Berengar wieder im Sattel und ritt mit seinen Männern zur Unterstadt. Julien hatte ihm gesagt, Caboche sei allein, doch er wollte kein unnötiges Risiko eingehen. Am Fischmarkt holte er sich Verstärkung, sodass er sieben Waffenknechte bei sich hatte, als sie schließlich an den Anlegestegen abstiegen.
Normalerweise wimmelte es hier von Tagelöhnern, Lastenträgern und Fischern, doch seit die ganze Stadt beschlossen hatte, keinen Handstreich mehr zu tun, waren die Gassen südöstlich des Fischmarktes wie ausgestorben. Berengar befahl einem Knecht, bei den Pferden zu bleiben, und führte die anderen zu den Schuppen. »Ihr vier sichert die Rückseite. Ihr kommt mit mir.«
Das Tor knarrte und fiel fast aus den Angeln, als er es öffnete. Drinnen roch es nach Fäulnis und feuchtem Holz. Morsche Kisten stapelten sich im Halbdunkel; daneben lag ein altersschwaches Boot.
Berengar und die beiden Waffenknechte zogen die Schwerter und traten ein.
Das Licht erlosch, als hinter ihnen das Tor zufiel. Draußen erklang ein erstickter Schrei, gefolgt von Rufen und trampelnden Schritten. Bevor der Sarjant begriff, wie ihm geschah, tauchten Gestalten aus dem Dunkel auf. Sechs, sieben, ein ganzes Dutzend.
Einer der Schatten trat vor, in den Händen einen Schmiedehammer.
»Du hast mich gesucht«, sagte Jean Caboche. »Jetzt hast du mich gefunden.«
Isabelle war bereits den ganzen Morgen fort.
Michel stand am Fenster seiner Schreibstube und betrachtete die Dächer, Gärten und Höfe, die sich zwischen seinem Haus und dem Beginenhof ausbreiteten. Heute war es ruhig in der Stadt, aber was hieß das schon? Bei der gegenwärtigen Stimmung in den Gassen konnte ihr Gott weiß was zustoßen. Ich hätte sie nicht allein gehen lassen dürfen.
Er setzte seine Mütze auf und ging hinunter zum Eingangsraum, wo Louis, Yves und die Söldner herumlungerten und sich die Zeit mit Würfelspielen vertrieben. Acht
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