Das Salz der Erde: Historischer Roman (German Edition)
klopfte bis zum Hals, während er und die anderen Ratsherren zur Königspfalz schritten. Gott, steh uns noch dieses eine Mal bei, betete er stumm, als die Torwachen ihnen Platz machten und sie die Aula betraten.
Wie einst sein Vater Barbarossa saß Philipp in der Mitte des Saales auf einem hohen Lehnstuhl, den die Bänke seiner Gelehrten und Schreiber flankierten. Zu Michels nicht geringer Erleichterung waren es allesamt Männer mittleren Alters – unmöglich, dass auch nur einer von ihnen damals in Hagenau gewesen war. Jeweils zwei Schildknappen in voller Rüstung standen links und rechts des Throns, auf ihre Lanzen gestützt und bereit, jede Bedrohung für das Wohl des Königs unter Einsatz ihres Lebens abzuwehren.
Wie jung er ist, dachte Michel, als sie vor dem Herrscher niederknieten. Gerade einmal siebenundzwanzig Sommer zählte der Staufer, doch der endlose Krieg hatte in seinem Gesicht Spuren hinterlassen, die ihn älter erscheinen ließen. Sorgenfalten hatten sich in seine Stirn eingegraben, der Ausdruck in seinen hellen Augen war hart und kalt.
»Michel de Fleury, Bürgermeister von Varennes-Saint-Jacques, und die Ratsherren Charles Duval, Isoré Le Roux, Eustache Deforest und Archambaud Leblanc«, kündigte der Schreiber sie an.
»Erhebt euch«, forderte der König sie auf. »Man sagte Uns, es sei euer Wunsch, dass wir einen Privilegienbrief Unseres Vaters bestätigen.«
»So ist es, mein Gebieter.« Michel trat vor und reichte Philipp Rémys Urkunde. »Euer Vater, er sei gepriesen, hat uns seinerzeit in seiner Güte und Weisheit eine Reihe von Rechten für unsere Stadt gewährt. Da wir erst jetzt davon Gebrauch machen können, ersuchen wir Euch, ihre Gültigkeit zu bestätigen.«
Philipp kam nicht dazu, das Dokument anzuschauen. Just in diesem Moment erschien ein Ritter, der ihm etwas ins Ohr flüsterte. »Er soll in seinen Gemächern warten«, sagte der König. »Wir lassen ihn wissen, wann er kommen kann.«
Schon am Tag ihrer Ankunft war Michel das emsige Kommen und Gehen in der Königspfalz aufgefallen. Philipp war offensichtlich ganz von der Aufgabe beansprucht, seine nächsten Feldzüge gegen Otto zu planen. Das mochte sich für sie als Vorteil erweisen. Ein beschäftigter und erschöpfter König war einer, der nicht allzu genau aufpasste.
Als der Ritter gegangen war, studierte der junge Staufer die Urkunde. Michel hielt den Atem an. Da – war das ein Zögern? Ahnte Philipp etwas? Er reichte die Urkunde an einen Legisten weiter, der sie ebenfalls prüfte. Michel fürchtete, der Gelehrte würde zu einer der Truhen gehen und nach der Abschrift suchen. Doch er nickte nur und gab sie Philipp zurück.
»Schwört Uns die Treue«, sagte der König, »und Wir gewähren euch die Privilegien.«
Michel ließ lautlos den Atem entweichen. Er und die anderen Ratsherren knieten nieder.
»Wir haben eine Bedingung«, erklärte Philipp. »Die freie Stadt Varennes-Saint-Jacques unterstützt Uns bei unserem Kampf gegen den Usurpator und stellt Uns fünfzig Mann in Waffen zur Verfügung.«
Michel war, als setze sein Herz einen Schlag aus. »Aber wir haben Eurem Vater damals eine hohe Summe für diese Privilegien gezahlt und ihn bei seinem Kreuzzug unterstützt.«
»Das ist lange her. Eure Geschäfte mit Unserem Vater sind nicht mehr von Belang.« Philipps Stimme gewann an Schärfe. »Fünfzig Bewaffnete für unsere Streitmacht, oder Wir müssen euer Ersuchen ablehnen.«
»Erlaubt Ihr, dass wir uns beraten?«
Der junge König nickte. Michel und die Ratsherren standen auf und steckten neben dem Portal der Aula die Köpfe zusammen.
»Ich sage, wir machen es«, erklärte Leblanc entschieden.
»Auf keinen Fall«, erwiderte Michel. »Wir schicken keinen unserer Bürger in diesen törichten Krieg. Das ist es nicht wert.«
»Wir zwingen niemanden«, sagte Deforest. »Wir schicken nur Freiwillige. Gewiss finden sich genug Männer, die bereit sind, für Philipp zu kämpfen.«
Böse Erinnerungen an den Hoftag zu Hagenau stiegen in Michel auf. »Nein. Ohne mich. Da mache ich nicht mit.«
»Wir haben keine Wahl«, sagte Le Roux. »Wenn wir nicht auf seine Bedingungen eingehen, ist er gekränkt, und wir bekommen die Rechte niemals.«
Michel wandte sich an Duval. »Was meint Ihr?«
Der innere Zwiespalt schien seinen alten Freund beinahe zu zerreißen. »Ich fürchte, Isoré hat recht. Wir müssen darauf eingehen. Es geht nicht anders.«
»Charles…«, begann Michel fassungslos.
»Es ist eine Mehrheit von vier
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